Welcher Bus durch die Märchensiedlung fährt und welcher bis zum Fasanenhof ist für den Fahrgast von außen nicht erkennbar. Foto: Archiv Alexandra Kratz

Die Diskussion um die Buslinie 72 in Stuttgart-Möhringen reißt nicht ab. Viele Anwohner äußern sich nach wie vor kritisch über die längere Linie. Eine Bürgerin ist sogar Leidtragende eines Unfalls geworden. Wie ist es dazu gekommen?

Möhringen - Weil die Straßen in der Märchensiedlung eng sind, kommt der Bus oft nicht durch. Iris Malmsheimer ist selbst zur Leidtragenden geworden. Zweimal ist ein Auto ihrer Familie beschädigt worden, weil Autofahrer in dem Quartier dem Bus ausweichen mussten. Einmal war es das Fahrzeug ihres Sohnes. Kurz vor Weihnachten traf es dann auch noch ihren eigenen Wagen. Als ein Nachbar in seinem Auto auf der Jelinstraße unterwegs war, kam ihm der Bus entgegen. „Der Mann hat Panik bekommen, wollte rückwärts dem Bus ausweichen und ist gegen unser geparktes Auto gefahren“, sagt Malmsheimer. Dabei sei ein Schaden in Höhe von 2000 Euro entstanden. Immerhin zahlt die Versicherung des Unfallverursachers.

Dennoch hält die Anwohnerin nichts von der neuen Busschleife durch die Märchensiedlung. Und zwar nicht nur, weil es dadurch immer wieder zu gefährlichen Situationen komme. Seit einem guten Jahr fahren die gelben Wagen der Linie 72 neunmal am Tag eine Schleife durch das Quartier. Sie nehmen den Weg über den Dornröschenweg zur neuen Haltestelle an der Ecke Rübezahlweg/Schneewittchenweg und dann über die Jelinstraße zurück auf die Hechinger Straße. Es sind drei Fahrten zwischen 7 und 8 Uhr und sechs Fahrten zwischen 16 und 18 Uhr. Auf dieses Weise fährt der Bus in den Stoßzeiten zwischen dem Möhringer Bahnhof und dem Schneewittchenweg im Zehn-Minuten-Takt. Der Testlauf dauert noch bis Ende des Jahres. Der Gemeinderat hatte dafür Geld zur Verfügung gestellt. Nach der Pilotphase will die SSB entscheiden, wie es weitergeht.

Lokalpolitiker wollen eine zeitnahe Evaluierung

Das hängt vor allem von der Zahl der Fahrgäste ab. Nach Malmsheimers Beobachtung lohnt sich das neue Angebot nicht. „In dem Bus sitzen maximal acht Personen. Oft ist der Bus auch ganz leer“, sagt die Anwohnerin. Bei dieser geringen Nachfrage würde ein Kleinbus völlig ausreichen. Oder aber man sollte es ganz lassen, findet die Möhringerin. Die großen Busse hätten zudem die ohnehin schon schlechten Straßen stark in Mitleidenschaft gezogen. Vor ihrem Haus gebe es eine Dohle, die jetzt deutlich höher liege als die Fahrbahn. „Das Streufahrzeug bleibt daran hängen. Das tut einen Rums, so dass das ganze Haus wach ist“, berichtet die Anwohnerin. Und weil es wegen der Busse nun eine Vorfahrtsstraße gibt, halte sich auch kaum noch ein Autofahrer an Tempo 30.

Die Buslinie 72 war jüngst auch Thema im Möhringer Bezirksbeirat. Auf Antrag der CDU fordern die Lokalpolitiker einen zeitnahen Zwischenbericht. Sie wollen insbesondere wissen, wie gut die Linie ausgelastet ist. Falls die Auslastung deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben sein sollte, möge die SSB darlegen, wie das Angebot attraktiver gemacht werden könnte. Eine zeitnahe Evaluierung sei sinnvoll, da man jetzt noch die Möglichkeit habe, nachzusteuern, heißt es in der Antragsbegründung.

Die Menschen steigen in den falschen Bus

Und es gibt noch ein weiteres Problem. Immer wieder steigen Menschen in den falschen Bus. Die Passagiere wollen eigentlich zum Fasanenhof, nehmen dann aber versehentlich den Bus, der nur bis zum Friedhof fährt und dort wendet. Denn welcher Wagen den großen und welcher nur den kleinen Rundkurs fährt, ist von außen nicht erkennbar. Iris Malmsheimer hat das schon häufig beobachtet.

Auch die Möhringer Bezirksbeiräte wurden mehrfach darauf angesprochen. Sie fordern in ihrem Antrag eine bessere Kennzeichnung der Fahrzeuge, zum Beispiel mit „Linie 72k“ für „kurz“. Zudem schlagen die Bezirksbeiräte vor, die Endhaltestelle „Rübezahlweg“ umzubenennen oder zumindest um den Zusatz „Friedhof“ zu ergänzen. Die SSB möge darüber hinaus in den Bussen der Linie 72 mit der Endhaltestelle Rübezahlweg eine Durchsage machen, dass dieser Bus durch die Märchensiedlung und nicht zum Fasanenhof fahre.