In Jakarta (Indonesien) gibt es mit 230 Kilometern das längste BRT-Schnellbussystem der Welt. Ein Vorbild für Ludwigsburg? Foto: AFP

Ludwigsburg auf den Spuren von Jakarta und Bogota: Als erste Stadt in Deutschland soll ein BRT-Schnellbussystem eingeführt werden. Doch wo es eigene Busspuren geben soll, ist noch umstritten.

Ludwigsburg - Was die indonesische Hauptstadt Jakarta seit 2004 erfolgreich praktiziert, soll auch in Ludwigsburg funktionieren: Ein Schnellbus-System namens Bus Rapid Transit (BRT), das die Fahrgäste schnell und bequem transportiert. In Jakarta gibt es inzwischen 230 Kilometer Busnetz, fast immer auf eigenen Busspuren. 230 000 Fahrgäste werden jedes Jahr transportiert – eine Fahrt kostet 3500 Rupien, umgerechnet 30 Cent.

Ganz so günstig und ganz so pompös wird es in der Barockstadt nicht. Aber immerhin soll es langfristig zwei Linien geben, wie der Oberbürgermeister Werner Spec (Freie Wähler) am Mittwoch verkündete: Eine Linie von der Weststadt zum Busbahnhof ZOB über den Arsenalplatz und die Wilhelmstraße bis nach Oßweil – und von dort auf einer eigenen Trasse bis nach Neckargröningen. Eine zweite Verbindung ist für die Zukunft angedacht, aber noch nicht im aktuellen Antrag auf Fördergelder enthalten: Sie soll vom Bahnhof über Grünbühl nach Pattonville fahren.

Wo gibt es Busspuren?

Auf insgesamt elf Kilometern sollen die langen Gelenkbusse verkehren. Nicht durchgängig allerdings auf einer eigenen Busspur. So ist in den Plänen der Stadt eine solche etwa in der Myliusstraße und auf dem Schillerplatz vorgesehen, in der Wilhelmstraße muss sich der Schnellbus aber die Straße mit dem Individualverkehr teilen. Ab der Schorndorfer Straße soll es wieder Busspuren geben, auf denen aber zum Teil noch die Anlieger in ihre Wohngebiete fahren dürfen.

Zwischen Oßweil und Neckargröningen soll es eine eigene Trasse geben, damit der Bus am Stau vorbei fährt – dies wird allerdings erst später realisiert werden, weil hier noch mit vielen Grundstückseigentümern verhandelt werden muss. Der OB Werner Spec setzt daher zusätzlich auf Vorfahrt für Busse bei Ampeln. „Das gilt für alle Busse, nicht nur für die BRT-Wagen“, sagte der Baubürgermeister Michael Ilk (Freie Wähler). Auch die Busspuren könnten vom regulären Linienverkehr genutzt werden.

Welches Konzept steckt dahinter?

Die BRT-Busse sind ein Herzensanliegen des Rathauschefs, er sieht sie als Vorlauf und Ergänzung der Stadtbahn, die bis 2030 durch Ludwigsburg rollen soll. Sie sind Teil eines politischen Kompromisses mit dem Landrat Rainer Haas vom Jahresbeginn zum Nahverkehr. „Wir hoffen damit auch, unseren Plan zur Vermeidung von Fahrverboten umzusetzen“, sagte Spec. Daher sollen die neuen Lang- und Schnellbusse möglicherweise reine Elektrofahrzeuge sein – in einem Zehn-Minuten-Takt. „Wir haben dadurch kürzere Reisezeiten, auch aus den Stadtteilen“, so Michael Ilk.

Wie sehen das die Stadträte?

Der Gemeinderat ist, das zeigte sich in der Sitzung am Mittwochabend, des Streitens müde. Die Zustimmung zu dem vorgelegten Paket ist hoch, wobei allen Fraktionen bewusst ist, dass die großen Hürden noch kommen – sobald konkrete Entscheidungen zum Verlauf der BRT-Trassen getroffen werden müssen. Denn diese werden spürbare Auswirkungen haben.

„Es wird sicher viele Diskussionen in der Bevölkerung geben, wenn für die Busse der eine oder andere Parkplatz entfallen oder die eine oder andere Baumreihe weggemacht werden muss“, sagte der CDU-Faktionsvize Reinhold Noz. Schließlich sei es wichtig, dass der BRT möglichst auf eigenen Fahrspuren unterwegs sei. „Dazu stehen wir, aber einfach wird das nicht.“

Was sagen die Kritiker?

Auch die bislang kritischen Fraktionen weisen darauf hin, dass noch viele Fragen offen seien. „Uns ist noch gar nicht klar, wo überhaupt Platz für die Bustrassen vorhanden ist“, monierte Christine Knoß von den Grünen. Insbesondere für die West- und die Innenstadt fehlten konkrete Pläne. Fast alle Redner wiesen darauf hin, dass sowohl für die Stadtbahn wie auch für den BRT keine Kosten bekannt seien. Insgesamt dominierte in allen Stellungnahmen jedoch der Wille, nun endlich voranzukommen, gemeinsam mit dem Landratsamt und den Nachbarkommunen. „Wir hätten diesen Kompromiss vielleicht früher haben können, aber heute wollen wir nach vorne schauen“, sagte Margit Liepins (SPD).

Wann sollen die Busse fahren?

Schon im Herbst 2020 sollen die ersten BRT-Busse von der Weststadt bis zum Bahnhof und zur Oststadt rollen. „Das ist ein ambitionierter Plan, aber es ist realistisch“, erklärte Werner Spec. Der Betreiber werde mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ das Ludwigsburger Busunternehmen LVL sein. Wenn dieser Rumpfbetrieb funktioniert, soll die Linie ab 2022 bis Oßweil und weiter bis Remseck fahren.

Die mögliche zweite Linie vom Bahnhof nach Pattonville soll erst später kommen. „Wir machen das wie bei den Knödeln: einen nach dem anderen“, sagte Sascha Behnsen, der Nahverkehrsplaner der Stadt. Die Stadt Remseck habe gefordert, erst die Buslinie nach Neckargröningen zu planen, dann die zweite Route. Spec: „Diesem Wunsch kommen wir nach.“

Wo sind noch Knackpunkte?

Wo genau Busspuren verlaufen, ist noch Gegenstand der politischen Diskussion. Etwa ob die Busse über einen autofreien Schillerplatz und Arsenalplatz rollen. „Die Leistungsfähigkeit des Nahverkehrs steht und fällt nicht mit der Frage, ob die Wilhelmstraße autofrei ist“, sagte der Planer Sascha Behnsen. Zur Frage, ob Parkplätze in der Innenstadt zugunsten der Busspuren weichen sollen, gibt es bei CDU und Freien Wählern noch Diskussionsbedarf. „Wir sind bereit, auf Parkplätze zu verzichten, wenn Ersatz durch Quartiergaragen geschaffen wird“, erklärte der CDU-Fraktionsvize Reinhold Noz. Offen ist auch, wo genau die zweite Linie in der Oststadt bis nach Pattonville verlaufen soll.

Wie passen die Busse zur Stadtbahn?

Wenn die vom Landkreis geplante Stadtbahn mit niedrigen Türeinstiegen ab 2030 kommt, die sogenannte Niederflurbahn, entfallen große Teile der BRT-Buslinien, aber nicht alle. Wo sich die Stadtbahn nicht lohnt, sollen sie beibehalten werden.