Auch Herrenberg soll an dem Modellversuch teilnehmen. Foto: dpa

Gratistickets im Nahverkehr sollen für saubere Luft sorgen. Mit Herrenberg, Reutlingen und Mannheim sind drei Städte im Südwesten bei dem Modellversuch dabei.

Stuttgart - Im Kampf um saubere Luft schlägt die Bundesregierung überraschend einen Versuch mit kostenlosen Bus- und Bahntickets vor. In fünf Modellstädten sollen die Maßnahmen erprobt werden, drei davon liegen in Baden-Württemberg: Herrenberg, Reutlingen und Mannheim. Außerdem sind Bonn und Essen genannt. Gemeinsam mit Ländern und Gemeinden wird erwogen, für die Bürger einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) anzubieten, um den privaten Autoverkehr zu verringern.

Angesichts einer drohenden Klage der EU-Kommission will die Bundesregierung mit insgesamt acht Maßnahmen für saubere Luft in den Städten sorgen. Darunter sind neben den Gratistickets auch bekannte Vorschläge wie die Förderung der E-Mobilität oder Fahrverbote in bestimmten Vierteln. Das geht aus einem Brief von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella hervor.

Hermann: Südwesten ist offen „für zweckdienliche Modellversuche“

Der nur vage skizzierte Vorschlag zum ÖPNV könnte bedeuten, dass der Bund die Länder und Städte finanziell unterstützt, wenn sie kostenlose Tickets für Busse und Bahnen einführen. Mit zwölf Milliarden Euro finanzierten sich die Verkehrsbetriebe in Deutschland jedes Jahr etwa zur Hälfte aus dem Ticketverkauf, heißt es beim Verband Deutscher Verkehrsbetriebe (VDV). Falle der Anteil weg, so eine VDV-Sprecherin, „müsste das am Ende der Steuerzahler tragen“. Weitere Milliarden wären nötig für neue Busse, Bahnen und Personal, denn ein kostenloses Angebot brächte einen enormen Fahrgastzuwachs.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) begrüßte den Vorschlag: „Es ist gut, dass man in Berlin erkannt hat, dass es in Sachen Luftreinhaltung in Brüssel fünf Minuten vor zwölf ist.“ Baden-Württemberg sei offen „für zweckdienliche Modellversuche“. Er hoffe nur, so Hermann, dass der Vorschlag aus Berlin „keine Nebelkerze zur Abwehr der angedrohten Klage“ der EU-Kommission sei, da deutsche Städte seit Jahren die Grenzwerte für Luftschadstoffe nicht einhalten. Der Minister ergänzte: „Den ÖPNV zum Nulltarif würden die Kommunen nur mit tatkräftiger finanzieller Unterstützung durch den Bund anbieten können.“ Es bleibe im übrigen ein Geheimnis, warum die Regierung nicht die einfachste Maßnahme zur Luftreinhaltung einführe, nämlich die blaue Plakette.

Der Deutsche Städtetag zeigte sich „überrascht“ von der Idee aus Berlin. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte, „wir erwarten eine klare Aussage, wie das finanziert werden soll“. Die Stadt Stuttgart zeigte sich weniger skeptisch: „Sollte der Bund bereit stehen, den ÖPNV in Stuttgart und der Region günstiger zu machen, wäre dies ein gutes Zeichen“, teilte sie mit.