Bei einem israelischen Luftangriff in Gaza gibt es laut Helfern Dutzende Opfer. Vor allem Geflüchtete sollen unter den Toten sein - aber auch zwei ranghohe Hamas-Terroristen. Die Nacht im Überblick.
Bei einem israelischen Luftangriff in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen sind nach Angaben von Hilfsorganisationen zahlreiche Menschen in einem Zeltlager mit geflüchteten Zivilisten ums Leben gekommen. Das Bombardement ereignete sich nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds am Sonntag im Nordwesten der Stadt, in der Israels Militär die letzten dort vermuteten Bataillone der Hamas zerschlagen will. In einer Rettungsstelle habe man „Dutzende Verletzte und mehr als 15 Tote“ gezählt, schilderte die Organisation Ärze ohne Grenzen. Andere Quellen im Gazastreifen sprachen von mehr als doppelt so vielen Toten, in eingestürzten oder niedergebrannten Zelten könne es zudem weitere Opfer geben. Laut dem israelischen Militär hatte der Geheimdienst vor dem Angriff bedeutende Hamas-Terroristen auf dem Gelände ausgemacht - zwei von ihnen seien getötet worden, Berichte über zivile Opfer würden geprüft.
Die Armee erklärte auf der Online-Plattform X, der „präzise“ geführte Luftangriff habe einem Komplex der Islamistenorganisation Hamas gegolten und sei im Einklang mit dem Völkerrecht erfolgt. Neben Jassin Rabia, dem maßgeblichen Kopf hinter den Terroraktivitäten der Hamas im Westjordanland, sei auch der ranghohe Hamas-Terrorist Chaled Nagar getötet worden. Beide seien maßgeblich an der Planung und Finanzierung von Anschlägen beteiligt gewesen und hätten das Leben israelischer Soldaten auf dem Gewissen. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Zuvor Raketen auf den Großraum Tel Aviv
Der Rote Halbmond erklärte, das vom Luftangriff getroffene Gebiet sei als humanitäre Schutzzone für Menschen ausgewiesen, die wegen der israelischen Kriegsführung flüchten mussten. „Wir sind entsetzt angesichts dieses tödlichen Vorfalls, der einmal mehr zeigt, dass es (im Gazastreifen) nirgends sicher ist“, kritisierte Ärzte ohne Grenzen.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte Israel am Freitag verpflichtet, den Militäreinsatz in Rafah unverzüglich zu beenden. Entscheidungen des Weltgerichts sind bindend. Allerdings besitzen die UN-Richter keine Machtmittel, um einen Staat zur Umsetzung zu zwingen.
Am Sonntag hatte die Hamas erstmals seit vier Monaten wieder Raketen auf den Großraum Tel Aviv gefeuert - nach Armeeangaben handelte es sich um acht Geschosse, die aus Rafah abgefeuert wurden. Die Raketenabwehr habe einige davon abfangen können. Im Stadtzentrum von Tel Aviv waren mehrere Explosionen zu hören. In mehreren Städten im Großraum der Küstenmetropole gab es ebenfalls Raketenalarm. Der militärische Hamas-Arm reklamierte die Angriffe für sich. Zwei Frauen wurden nach Angaben von Sanitätern leicht verletzt, als sie in Schutzräume eilten. Zuletzt war Tel Aviv am 29. Januar mit Raketen aus dem Gazastreifen angegriffen worden.
Am Sonntagabend begleiteten dann mehrere tausend Menschen in Tel Aviv den Beerdigungszug einer israelischen Geisel, deren Leiche israelische Soldaten vergangene Woche im Gazastreifen geborgen hatten. Der zweifache Vater hatte am 7. Oktober vergangenen Jahres das Supernova-Musikfestival besucht und war dort während des beispiellosen Massakers der Hamas und anderer Terroristen in die Fänge der Islamisten geraten. Seine Familie lud die Öffentlichkeit ein, mit der Teilnahme an der Trauerprozession still für die Rückkehr aller Geiseln zu demonstrieren.
Um die Verhandlungen über eine Freilassung der Geiseln sollte es am Sonntagabend auch auf einer Sitzung des Kriegskabinetts von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gehen. Vor der Sitzung hatte Netanjahu in einer Stellungnahme erklärt, er lehne die Hamas-Forderung nach einer Beendigung des Krieges und dem Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen weiterhin ab.
Israelische Soldaten erschossen derweil nach Armeeangaben am Sonntag in der Nähe von Hebron im Westjordanland einen Palästinenser, der einen Messerangriff auf einen Armeeposten ausführen wollte. Soldaten seien nicht verletzt worden, hieß es. Das Gesundheitsministerium der palästinensischen Autonomiebehörde teilte mit, es sei von den israelischen Sicherheitsbehörden über den Tod des erst 14 Jahre alten Angreifers informiert worden. Seit Beginn des Gaza-Kriegs wurden bei Konfrontationen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften, versuchten Anschlägen sowie Angriffen militanter Siedler fast 500 Palästinenser im Westjordanland getötet.
Mehrheit der Deutschen gegen Anerkennung Palästinas als Staat
Erstmals seit einer Vereinbarung zwischen Ägypten und den USA wurden unterdessen Hilfslieferungen für den Gazastreifen vom gesperrten ägyptischen Grenzübergang Rafah über die israelische Passagierstelle Kerem Schalom umgeleitet. Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News berichtete am Sonntag, 200 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern seien von Rafah nach Kerem Schalom gefahren, die Einfahrt in den blockierten Gazastreifen habe begonnen.
Auf dem Demokratiefest in Berlin kam es am Sonntag bei einer Veranstaltung mit Außenministerin Annalena Baerbock zu lautstarken Protesten. Aus Wut über den Umgang der Bundesregierung mit dem Gaza-Krieg störten mehrere Teilnehmer mit lauten Rufen und Bannern eine Debatte der Grünen-Politikerin mit Bürgern. Sie forderten Baerbock unter anderem auf, Waffenlieferungen an Israel sofort zu stoppen. Baerbock versuchte, die Fragen ruhig zu beantworten und forderte die Störer auf, Drohungen zu unterlassen.
Ein Großteil der Deutschen ist einer Umfrage zufolge dagegen, Palästina zum jetzigen Zeitpunkt als eigenen Staat anzuerkennen. Das ist das Ergebnis einer am Montag veröffentlichten Forsa-Erhebung für den „Stern“. Demnach ist die Hälfte der Deutschen (50 Prozent) gegen die Anerkennung, 38 Prozent sind dafür und 12 Prozent trauen sich keine Einschätzung zu.
Spanien, Irland und Norwegen hatten vergangene Woche angekündigt, Palästina an diesem Dienstag als Staat anzuerkennen. Die Bundesregierung unterstützt eine Zwei-Staaten-Lösung zwar grundsätzlich, lehnt den Schritt zum jetzigen Zeitpunkt jedoch ab. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen hingegen erkennt Palästina inzwischen als Staat an.