Immer mehr Palästinenser sterben bei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen. Foto: dpa

Bei den schwersten Auseinandersetzungen im Gazastreifen seit November 2012 sind laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium 83 Menschen ums Leben gekommen.

Bei den schwersten Auseinandersetzungen im Gazastreifen seit November 2012 sind laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium 86 Menschen ums Leben gekommen.

Gaza/Tel Aviv - Die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen fordern immer mehr Opfer. Am Tag 3 der Bombardements stieg die Zahl der getöteten Palästinenser auf mindestens 86.

Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas rief die Bewohner des Gazastreifens auf, sich bei israelischen Luftangriffen als menschliche Schutzschilde zu postieren.

Die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen sind nach Armeeangaben intensiver als im letzten Gaza-Krieg im November 2012. Binnen 48 Stunden habe die Armee 750 Ziele angegriffen. Vor knapp zwei Jahren seien binnen acht Tagen 1450 Ziele angegriffen worden. Dann hatte Ägypten eine Waffenruhe vermittelt.

In der islamischen Welt stößt Israels Vorgehen auf starke Kritik. In New York kam der UN-Sicherheitsrat auf Antrag islamischer Staaten zu einem Krisentreffen zusammen. Angesichts der dramatischen Lage öffnete Ägypten seinen Grenzübergang zum Gazastreifen für verwundete Palästinenser.

Die Zahl der Toten dürfte weiter steigen. Mehr als 560 Menschen wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums seit Beginn der Luftangriffe in der Nacht zum Dienstag verletzt. Unter den Opfern sind auch Frauen und Kinder.

Hamas lehnt Israels Existenzrecht sowie eine Friedensregelung ab und sieht sich als Speerspitze im Kampf gegen die israelische Besatzung der Palästinensergebiete. Auslöser der jüngsten Krise waren der gewaltsame Tod dreier jüdischer Jugendlicher und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen.

Die Kairoer Al-Azhar-Moschee, eine der wichtigsten religiösen Einrichtungen der islamischen Welt, kritisierte Israels Vorgehen als "barbarisch und brutal". Die ägyptische Protestbewegung Tamarud forderte, das Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel außer Kraft zu setzen, und sprach von einem "Vertrag der Schande". Am Mittwochabend hatten 300 Demonstranten in der jordanischen Hauptstadt Amman versucht, die israelische Botschaft zu stürmen.

Atomreaktor im Visier der Palästinenser

Nach neuen israelischen Bombardements setzten radikale Palästinenser ihre Raketenangriffe auf israelische Städte fort und nahmen dabei anscheinend auch den einzigen Atomreaktor des Landes ins Visier. Nach Medienberichten wurden am Mittwoch und Donnerstag mindestens drei Raketen in Richtung der Wüstenstadt Dimona abgefeuert, die in der Nähe des Atomkraftwerks liegt. Mindestens eine Rakete wurde den Berichten zufolge vom Abwehrsystem "Eisenkuppel" abgefangen.

In Tel Aviv heulten am Morgen wieder die Sirenen. Es war eine Serie dumpfer Explosionen zu hören. Menschen eilten in Schutzräume. Das israelische Fernsehen berichtete, fünf Raketen seien im Umkreis der Mittelmeermetropole von der Raketenabwehr in der Luft abgefangen worden. Tel Aviv ist mit mehr als 400 000 Einwohnern die größte Stadt Israels nach Jerusalem.

Eine Waffenruhe mit der Hamas steht nach den Worten des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gegenwärtig nicht zur Debatte. "Ich spreche im Moment mit niemandem über eine Waffenruhe", sagte Netanjahu laut der Zeitung "Haaretz". "Es steht nicht einmal auf der Tagesordnung."

Israel wägt nach den Worten des Armeesprechers Peter Lerner noch die Vor- und Nachteile einer Bodenoffensive im Gazastreifen ab. Ziel sei es, den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen zu unterbinden. Eine Bodenoffensive im Gazastreifen sei jedoch die "letzte Option", betonte der Sprecher. Dafür seien 20 000 Reservisten eingezogen worden. Die israelische Regierung hatte die Mobilisierung von insgesamt 40 000 Reservisten gebilligt.

Ein namentlich nicht genannter Militär sagte der Nachrichtenseite "ynet": "Die Entscheidung über den Zeitpunkt des Einmarschs wird binnen zwei bis drei Tagen getroffen werden."

US-Außenminister John Kerry zeigte sich besorgt über die Lage in Nahost. "Das ist ein gefährlicher Moment", sagte Kerry am Rande eines Besuches in Peking. Die USA stünden hinter Israel. "Kein Land kann es akzeptieren, wenn Raketen auf seine Zivilbevölkerung gefeuert werden." Aber Verhandlungen seien der einzige Weg vorwärts in dem Konflikt.

Die USA, Israel und die EU stufen die Hamas mit ihren Milizen als Terrororganisation ein. Israel sieht die zweitgrößte Palästinensergruppe aber auch als Ordnungsmacht im Gazastreifen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach im Vorfeld der Krisensitzung in New York von "einer der entscheidendsten Krisen der Region in den vergangenen Jahren". "Gaza steht auf Messers Schneide", sagte er.