Avi Primor, der früherer Botschafter, glaubt nicht an Durchbruch bei Nahost-Konferenz.

Jerusalem - Israelis und Palästinenser wagen am Mittwoch unter der Regie von US-Präsident Barack Obama einen neuen Anlauf zum Frieden. Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, beurteilt die Erfolgsaussichten skeptisch.

Herr Primor, es hat schon viele Nahost-Konferenzen in den letzten zehn Jahren gegeben, alle sind gescheitert. Sehen Sie jetzt eine Chance, dass es zu einem Durchbruch kommt?

Ich glaube, dass die Gesamtsituation im Nahen Osten günstige Voraussetzungen bietet, die Gemütslage ist auf beiden Seiten entsprechend gereift. Das war zuvor nicht der Fall. Ich bin allerdings nicht überzeugt, dass die Verantwortlichen die Möglichkeit auch wahrnehmen. Ich bin mit Blick auf die Gespräche in Washington nicht sehr optimistisch, ich glaube nicht an einen Durchbruch.

Man hört immer nur von Forderungen, aber nicht von Kompromissangeboten.

Das gehört zur Taktik, das ist in Ordnung. Wenn man in Verhandlungen geht, beginnt man nicht mit Zugeständnissen.

Welche Zugeständnisse sind denn zu erwarten?

In der Tat müssen beide Seiten Zugeständnisse machen. Mag sein, dass sie dazu auch bereit sind, aber sie können es nicht. Und zwar deshalb nicht, weil sie zu schwach sind, weil sie von einer Minderheit im eigenen Lager unter Druck gesetzt oder erpresst werden. Es fehlt ihnen schlicht und einfach also am nötigen Spielraum.

Warum setzt man sich überhaupt zusammen, wenn die Lage aussichtslos ist?

Jahrzehntelang wollte die palästinensische Seite und die ganze arabische Welt einen israelischen Staat nicht akzeptieren. Sie ist davon ausgegangen, dass sie ihn verhindern oder im Nachhinein zerstören kann. Deshalb gab es für die arabische Seite keinen Grund, über einen Frieden mit Israel zu verhandeln. Für Israel gab es auch keinen echten Ansatzpunkt für Friedensverhandlungen mit den Palästinensern. Nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 war man der Meinung, dass das Westjordanland in jüdischem Besitz bleiben wird. Die Lage hat sich nun auf beiden Seiten aber geändert, in ihrer Mehrheit haben sich die Palästinenser mit der Existenz eines israelischen Staates abgefunden, wenn auch widerwillig.

Und Israel?

Die Mehrheit hat sich damit abgefunden, dass der jüdische Staat nicht über das Westjordanland herrschen kann und darf. Also müssen wir uns von diesem Land trennen. Das ist der Ansatzpunkt für die Gründung eines Palästinenser-Staates. Die größte Sorge der Israelis ist allerdings, dass es keine Macht im Westjordanland gibt, die Sicherheit gewährleisten kann.

Wäre der Einsatz von Blauhelmen eine Lösung?

Blauhelme waren im Nahen Osten bisher immer nur als Beobachter eingesetzt. Wir brauchen aber eine kleine, robuste, bewaffnete Truppe, die den klaren Auftrag hat - von wem auch immer -, Sicherheit in einem geräumten Westjordanland zu erzwingen, wenn es nötig ist. Und das natürlich im Einklang mit den Palästinensern.

US-Präsident Barack Obama steht erheblich unter Druck. Wie schätzen Sie seinen Einfluss auf beide Seiten ein?

Zuerst hat Obama in der Sache falsch taktiert und dadurch viel Zeit verloren. Und niemand weiß, ob er nach den Kongresswahlen im November stark genug sein wird, um seinen politischen Willen durchzusetzen. Wir brauchen aber Obama unbedingt. Er versteht die Probleme, und er ist sehr entschlossen. Sicher ist: Ohne die Einmischung des Auslands wird im Nahen Osten nichts passieren.