Am kommenden Dienstag um 7 Uhr öffnet Nahkauf erstmals seine Türen. Foto: Eibner/Oliver Schmidt

In der kommenden Woche eröffnet eine Nahkauffiliale in Schönaich. Das neue Angebot bedeutet Konkurrenz für den etablierten Handel.

Siemensstraße im Schönaicher Gewerbegebiet. In der kommenden Woche wird dort ein neuer Nahkauf-Markt eröffnen, wo bis vor Kurzem der italienische Supermarkt Gentile seinen Sitz hatte. Auf 798 Quadratmetern entsteht eine neue Filiale, Ein Schwerpunkt soll auf den frischen Waren wie Obst und Gemüse sowie Molkereiprodukten liegen. Die Bäckerei Veit aus Bempflingen wird im Eingangsbereich einen Backshop betreiben, in Summe sollen 20 Arbeitsplätze entstehen. Geführt wird der Markt vom selbstständigen Kaufmann Stefan Fritz, der bereits zwei Rewe-Filialen auf dem Flugfeld und in Stuttgart betreibt.

 

Klaus Andermann ist davon nicht sonderlich begeistert. Er betreibt in der Schönaicher Ortsmitte seit Jahrzehnten mit dem Frischmarkt Knittel eine Institution, wie sie es vielerorts schon lange nicht mehr gibt: Ein freier Lebensmittel-Einzelhändler, der weder zum Edeka-Verbund, noch zu einer der großen Ketten gehört. Gemeinsam mit seiner Frau, Stiefsohn Robin, seinem Bruder und seinem Cousin führt er das Geschäft in dritter Generation. „Wir bieten auf 800 Quadratmetern alles, was man für den täglichen Bedarf braucht“, sagt er.

Frischer Salat von den Fildern genauso wie Eiernudeln, Frischfleisch, Rotwein, Schulhefte, Schuhbürsten und Zahnpasta. „Irgendwo hat die Ansiedlung von immer neuen Supermärkten doch ihre Grenzen, auch aus energetischen Gründen. Immerhin verbraucht ein Supermarkts im Jahr so viel Energie wie 500 Haushalte“, sagt der 58-Jährige. Jede Nacht um 1.30 Uhr fährt er mit dem Siebeneinhalbtonner nach Stuttgart auf den Großmarkt und holt frisches Obst und Gemüse. Außer zwei Stunden Mittagspause geht sein Arbeitstag dann häufig bis 20 Uhr. „Es gehört schon eine gehörige Portion Idealismus dazu“, sagt Andermann und wirkt dabei müde. Selbst sein Vater mit über 80 Jahren arbeitet noch im Betrieb, fährt Touren mit dem Lastwagen. Frischen Fisch aus Frankreich zum Beispiel. „Natürlich haben wir einen gewissen Investitionsstau“, sagt Andermann beim Gang durch die Regale. Der „Knittel“, wie ihn die Schönaicher nennen, verströmt eine beinahe vergessene Kaufladen-Atmosphäre. Neben dem kompletten Lebensmittel-Vollsortiment führt der Laden Drogerieartikel, Schreibwaren und hochwertige Whiskys, aber auch Bürsten, Besen, Schöpflöffel und Mausefallen. Die Auslage ist gut sortiert, und mutet doch ganz anders an als der durchrationalisierte Discounter-Einheitsbrei von Lidl, Aldi und Co. Handgemacht, familiär, originell.

Vor zwei Jahren integrierte er mit der „Wurschdschmiede“ eine noch junge Metzgerei mit eigener Produktion, die voll auf Regionalität und biologische Qualität setzt. „Und das in Zeiten des Metzgersterbens!“ Eigentlich stehe mal wieder eine Modernisierung an, sagt der Kaufmann. Die letzte sei über 20 Jahre her. Doch Corona habe das in den Hintergrund rücken lassen. Einige seiner knapp 40 Mitarbeiter seien lange krank gewesen, er selbst habe bis an den Rand der Erschöpfung gearbeitet. Zuletzt war er mal wieder eine Woche im Urlaub, der erste seit zehn Jahren.

Seit vier Jahren sitzt Andermann für die Fraktion der Freien Wähler/CDU im Schönaicher Gemeinderat. In dieser Funktion habe er die Interessen des gesamten Ortes im Blick, betont er. Doch ob er am Dienstag zur Nahkauf-Eröffnung kommen wird, ist eher unwahrscheinlich. Die Neu-Ansiedlung ist für ihn kein Grund zum Feiern.

Schönaicher: Knittel bildet Ortsmitte

Dass Schönaich mit seinen knapp 11000 Einwohnern einen weiteren 800-Quadratmeter-Supermarkt verträgt, davon ist Bürgermeisterin Anna Walther überzeugt. Neben Knittel, Norma und Penny gebe es zwar noch Gentile Gusto mit italienischen Spezialitäten, der vor Kurzem in der Gutenbergstraße neu eröffnet hat. Doch sie sei „zuversichtlich, dass Nahkauf und Knittel gut koexistieren können.“ Sicher werde Nahkauf als Konkurrenz wahrgenommen, „doch für die Bürger ist es gut, wenn das Angebot erweitert wird.“ Den Frischmarkt Knittel als Institution will sie dennoch stärken.

Im Rahmen des Ortsentwicklungskonzeptes wurde die Bürgerschaft gefragt, was sie als Schönaicher Ortsmitte empfänden? „Es war auffallend, dass viele angegeben haben: Der Knittel“, sagt Anna Walther. Dieser Bereich um die Jägerstraße solle daher bald städtebaulich aufgewertet werden, sagt sie. Erst kürzlich habe die Gemeinde ein hierfür strategisch wichtiges Grundstück erwerben können.