So viele Ratten wie derzeit gab es noch selten in Fellbach. Foto: dpa

Zweiter Schwerpunkt der Verbreitung befindet sich in der Gegend rund um den Kleinfeldfriedhof. Der Hauptteil der Ratten wird von Essensresten der Stadtbewohner angelockt. Abwasserbetrieb versucht nun verstärkt, den Tieren an den Pelz zu gehen.

Fellbach - Was für ein Schlamassel im Stuttgarter Stadtgarten: Unzählige Viecher der Gattung Rattus rattus haben auf dem Campus der Universität ihr Unwesen getrieben – und 7800 Bände durch Rattenkot zerstört. Wegen Großbaustellen wichen die Ratten aus – und machten sich in den Katakomben der Bibliothek über die sozial- und rechtswissenschaft-liche Literatur her.

Ein Stuttgarter Unikum ist das nur wegen der extremen Folgen. Denn auch in Fellbach hat die Rattenplage Rekordniveau erreicht. Die Bekämpfung ist zur Daueraufgabe geworden. Christoph Kolb, Betriebsleiter der Kläranlage, bestätigt: „Wir haben extrem viele Meldungen und gefühlt noch nie so viele Ratten wie im Moment. Das liegt auch an den immer noch sehr warmen Temperaturen.“

Die Kanäle benutzen die Ratten hauptsächlich als „Schnellstraße“

Exakt benennen können die Fellbacher Experten zwei sogenannte Hotspots, also Bereiche, an denen die Ratten besonders häufig anzutreffen sind. Zum einen ist das die Gegend an der Kreuzung der Esslinger Straße und der Stuttgarter Straße. Selbst Bürger, die nicht direkt an der Ecke wohnen, sind schon schreiend hochgeschreckt, als Nage-tiere an lauen Sommerabenden unverhofft unter die Holzveranda flitzten. Zweite Hochburg ist das Areal um den Kleinfeldfriedhof.

Die vorherrschende Meinung, dass Ratten sich vor allem in der Kanalisation tummeln, trifft nur bedingt zu. Auch in Fellbach kommt der Hauptteil, angelockt von Essensresten, vom Feld. Dort finden sie nach der Erntezeit kaum noch genügend Nahrung und streben in die Stadt. Wohl fühlen sie sich zum Beispiel in mit Efeu überwachsenen Grünstreifen.

Die Kanäle benutzen die Ratten hauptsächlich als „Schnellstraße“. Das ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Nagetiere können wühlend und fressend Gebäude zerstören, zudem übertragen sie Krankheiten wie Tuberkulose oder auch Salmonellen. Daher sind Kommunen und Betreiber abwassertechnischer Anlagen gesetzlich zur Rattenbekämpfung verpflichtet. Folgerichtig geht der Abwasserbetrieb der Stadt den Ratten aktuell an den Kragen. Punktuell wird wieder Rattengift im städtischen Kanalnetz verteilt wird. Wer vermehrten Befall bemerkt, kann sich ans Ordnungsamt wenden. So werden neue Hotspots identifiziert.

Damit Ratten im Haus oder Garten nicht zum Problem werden, kann jeder Bürger auch selbst tätig werden

Bei der Bekämpfung gilt seit 2018 eine neue EU-Verordnung. So muss zum Beispiel bei der Anwendung von Giftködern mit Antikoagulanzien (Blutgerinnungsmitteln) im Außenbereich um Gebäude, im offenen Gelände oder auf Mülldeponien, dass ein Kontakt mit dem Wasser verhindert wird. Für die Anwendung von Rattengift in der Kanalisation gilt zusätzlich: „Die Köder müssen so angewendet werden, dass sie nicht mit Wasser in Kontakt kommen und nicht weggespült werden.“ Vor allem in Kanalisationen ist der Aufwand zur Beseitigung der Ratten um einiges größer. „Hier müssen erst mal die Gaswerte überprüft werden, um eine Explosion zu verhindern“, berichtet Jana Gobs von der Stadtentwässerung. Erst wenn die Stellen gesichert sind, können die Mitarbeiter einsteigen und die Köderschutzboxen anbringen, die den neuen EU-Vorschriften entsprechen.

Damit Ratten im Haus oder Garten nicht zum Problem werden, kann jeder Bürger auch selbst tätig werden. Dazu gehört, mögliche Eingänge zu verschließen sowie das Nahrungsangebot für die Allesfresser zu beschränken. Lebensmittelreste in der Mülltonne oder auf dem Komposthaufen locken die Tiere an. Und leider, so das städtische Pressamt in einer Mitteilung, stimme auch das: „Über die Toilette runtergespülte Essensreste können die Tiere bis in die oberen Stockwerke locken.“