Dicke Luft in Ludwigsburg. In der Stadt drohen Fahrverbote für ältere Diesel-Autos. Die Stadt muss handeln. Foto: dpa

Ludwigsburg investiert Millionen, um Diesel-Verbote abzuwenden. Ein Gutachten von Siemens macht Hoffnung, aber die Umwelthilfe ist skeptisch. Jetzt bereiten sich Stadt und Regierungspräsidium auf die entscheidende Gerichtsverhandlung vor.

Ludwigsburg - Es ist ein Papier, von dem sehr viel abhängt, für Tausende Autofahrer, und in Ansätzen ist bekannt, was drin steht. Nur eines weiß momentan niemand: Ob das Ganze überhaupt noch etwas bringt. Das Stuttgarter Regierungspräsidium arbeitet an der Zweiten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Ludwigsburg, und was so sperrig klingt, ist nichts anderes als der Versuch, Fahrverbote in der Barockstadt doch noch abzuwenden.

Stuttgart hat das nicht geschafft. Wegen zu hoher Stickstoffdioxidwerte ist dort seit dem Jahreswechsel ein Verbot für Diesel in Kraft, die nicht mindestens die Euro-Norm 5 erfüllen. Schon jetzt ist absehbar, dass es dabei nicht bleibt. Wenn die Luftverschmutzung weiter über dem Grenzwert bleibt, dürfen schon 2020 nur noch Euro-6-Diesel auf die Straßen. Kritiker sprechen von einer massenhaften Enteignung unschuldiger Autofahrer, weil deren Fahrzeuge dramatisch an Wert verlieren. Zu den ersten Demonstrationen gegen das Fahrverbot kamen mehrere Hundert Menschen, weitere sind angekündigt.

Die Stadt sagt, sie tue „alles Menschenmögliche“

Köln, Bonn, Berlin, Essen – zahlreiche Städte müssen nachziehen, das steht bereits fest. Und dann gibt es noch eine lange Liste mit Kommunen, auch kleineren Städten, die geradezu verzweifelt darum kämpfen, Verbote abzuwenden. Weit oben: Ludwigsburg. „Wir werden alles Menschenmögliche tun“, sagt der Oberbürgermeister Werner Spec.

Entschieden wird die Sache vor Gericht, und die Stadt selbst sitzt dabei nicht auf der Anklagebank. Zuständig für die Luftreinhaltung sind die Bundesländer, weshalb die Deutsche Umwelthilfe (DUH) unter anderem Baden-Württemberg verklagt hat. In mehreren Städten, neben Stuttgart und Ludwigsburg sind beispielsweise auch Marbach, Heilbronn, Backnang, Esslingen, oder Reutlingen betroffen, ist die Luft im Land schmutziger als erlaubt. Der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel, Ludwigsburg kam 2018 auf einen Mittelwert von 51, Tendenz sinkend. Das heißt: Die Luftqualität wird besser, ist aber lange noch nicht gut genug.

Rund ein Drittel aller Dieselfahrer wäre direkt betroffen

Die Stadt hofft trotzdem, ein Szenario wie in Stuttgart abwenden zu können. Die alles entscheidende Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wird voraussichtlich in den nächsten Wochen beginnen. „Ich sehe dem zuversichtlich entgegen“, sagt Spec, der das Thema ganz oben auf der politischen Agenda platziert hat. Was auch daran liegt, dass von kaum einem politischen Thema mehr Menschen direkt betroffen sind. Nach Angaben des Kraftfahrzeugbundesamts sind in der Region Stuttgart mehr als eine halbe Million Diesel-Fahrzeuge zugelassen, wovon rund ein Drittel lediglich die Abgasnorm 4 erreicht.

Ludwigsburg hat aus diesem Grund einen sogenannten Green City Masterplan erarbeitet und beim Bund bereits mehr als zwölf Millionen Euro Fördergeld beantragt. Damit sollen unter anderem die Verkehrstechnik digitalisiert, intelligente Ampeln aufgestellt, das Parkleitsystem modernisiert, der städtische Fuhrpark auf E-Autos um- und weitere Elektroladestationen aufgestellt werden. Noch nicht eingepreist sind Großvorhaben wie der Ausbau des Radwegenetzes, die Einführung von Schnellbussen und – langfristig – der Bau der Stadtbahn. All dies wird helfen, die Luftqualität weiter zu verbessern, und das Ziel ist, dass Ludwigsburg spätestens 2021 den Grenzwert einhält. Die Stadt hat ihr Maßnahmenpaket daher von Fachleuten – es handelt sich um Experten von Siemens – begutachten lassen, die zu dem Ergebnis kommen, dass dies gelingen kann, wenn alle Projekte umgesetzt werden.

2021 will Ludwigsburg den Grenzwert einhalten – spätestens

Aufgabe des Regierungspräsidiums ist es nun, auf Grundlage des Masterplans den neuen Luftreinhalteplan zu erstellen. In der Hoffnung, dass all dies die Richter überzeugt und sie der Stadt die Chance einräumen, das Ziel ohne Fahrverbote zu erreichen. Die Zuversicht nährt sich auch aus der Erwartung, dass die Richter den guten Willen erkennen und würdigen.

Das Stuttgarter Regierungspräsidium will sich zu den Chancen vor Gericht nicht äußern. Es seien noch Abstimmungen erforderlich, erklärt die Sprecherin Katja Lumpp. „Wir bitten um Verständnis, dass wir hierzu derzeit keine weiteren Auskünfte geben können.“

Für die Deutsche Umwelthilfe, die wegen ihrer teils brachialen Vorgehensweise selbst massiv in der Kritik steht, ist die Sachlage indes klar. Schon 2017, als Ludwigsburg zunehmend in den Fokus rückte, äußerte sich ein Anwalt der DUH gegenüber dieser Zeitung äußerst skeptisch zu den Bestrebungen der Stadt. Kommunen, in denen der Grenzwert lediglich um vier oder fünf Mikrogramm überschritten werde, könnten um Fahrverbote herumkommen, sagte der Mann. „Ist die Belastung höher, gilt dies nicht mehr.“

Sehen Sie im Video, was Stuttgarter im letzten Jahr über die Fahrverbotsentscheidung dachten: