Trump-Beraterin Kellyanne Conway muss die Niederlage vor dem Berufungsgericht zu Gunsten des Präsidenten umdeuten. Foto: AP

Nach dem Urteil des Berufungsgerichts von San Francisco bleibt das Einreiseverbot des Präsidenten gegen Muslime aus sieben Ländern vorerst ausgesetzt. Washingtoner Insider rechnen nach dem chaotischen Auftakt der Trump-Administration mit einem Machtkampf innerhalb der Regierung.

Washington - Alternative Fakten“, mit denen sich die Regierung von US-Präsident Donald Trump die Wirklichkeit zurechtbiegt, sind eine Spezialität von Trump-Beraterin Kellyanne Conway. Deshalb war es kein Zufall, dass es Conway war, die als inoffizielle Regierungssprecherin die Aufgabe hatte, Trumps Niederlage im Einreisestreit umzudeuten.

Im Sender Fox News spielte Conway die Gerichtsentscheidung von San Francisco, mit der Trumps Einreisestopp für Muslime auf Eis gelegt wurde, als unwichtige Zwischenstation herunter. Wenn es um die Substanz der Sache gehe, werde Trump gewinnen, sagte sie voraus.   Einstimmig hatten die drei Berufungsrichter in San Francisco am Donnerstagabend verfügt, dass das Einreiseverbot für Menschen aus Irak, Iran, Jemen, Libyen, Somalia, Sudan und Syrien bis auf Weiteres außer Kraft bleibt.

Die Anweisung des Präsidenten, die Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen aus aller Welt von 110 000 auf 50 000 Menschen im Jahr zu senken, bleibt dagegen bestehen. Dasselbe gilt für die Order an das Außen- und das Heimatschutzministerium, Asylanträge von Nicht-Muslimen bevorzugt zu behandeln.   Conway weist darauf hin, dass es bei dem Richterspruch nicht um die Verfassungsmäßigkeit von Trumps Dekret ging – diese Frage dürfte erst vor dem Verfassungsgericht geklärt werden. Doch bedeutet das Urteil von San Francisco, dass die neue Regierung nach drei Wochen im Amt bei einem ihrer wichtigsten Projekte gescheitert ist.

Hillary Clinton jubiliert: „3:0“

Die Richter wiesen das Kernargument der Regierung zurück, wonach sich die Justiz nicht in die Entscheidung des Präsidenten einzumischen habe. Vor Gericht hatten die Regierungsanwälte nicht mal versucht, inhaltlich zu argumentieren – deshalb hieß es in dem Urteil, Trumps Mannschaft habe keinen Beweis dafür gebracht, dass Menschen aus den sieben betroffenen Ländern eine Terrorgefahr für die USA darstellten.   Gegner Trumps feierten das Ergebnis als Sieg gegen einen Präsidenten, der in den ersten Wochen seit seiner Vereidigung am 20. Januar versucht hat, die Politik der USA im Bulldozer-Stil umzukrempeln. „3:0“, twitterte Trumps geschlagene Gegenkandidatin aus dem Präsidentschaftswahlkampf, Hillary Clinton. Abed Ayoub vom muslimischen Bürgerrechtsverband ADC betonte, dank der Richter in San Francisco bleibe der Bann vorerst wirkungslos.  

Am Freitag blieb zunächst unklar, wie Trump reagieren will. „Wir sehen uns vor Gericht“, hatte er unmittelbar nach dem Urteil per Twitter angekündigt. Eine Eilentscheidung des Verfassungsgerichts könnte schon kommende Woche fallen. Allerdings herrscht am obersten Gericht unter den derzeit acht Richtern eine Pattsituation. Dies birgt für Trump das Risiko, dass bei einer Vier-zu-vier-Entscheidung das Urteil aus San Francisco zementiert werden könnte.

Schiffbruch wäre zu vermeiden gewesen

Mit etwas mehr Umsicht und Ruhe hätte Trump möglicherweise den Schiffbruch vermeiden können. Das Einreisestopp-Dekret war von seinen engen Beratern Stephen Bannon und Stephen Miller ausgearbeitet worden, die viel antimuslimisches Engagement mit ins Weiße Haus gebracht haben. Die Fachministerien wurden bei dem Dekret nicht groß gefragt, während Trump die an den Entscheidungen gegen den Muslim-Bann beteiligten Richter persönlich attackierte. Selbst Trumps Kandidat für einen vakanten Richtersitz am Verfassungsgericht, Neil Gorsuch, soll das Verhalten des Präsidenten als „demoralisierend“ bezeichnet haben.

Diplomaten in Washington rechnen nach dem chaotischen Auftakt der Administration für die kommenden Wochen und Monate mit einem Machtkampf innerhalb der Regierung, bei dem sich Hardliner wie Bannon und moderatere Politiker in den Ministerien gegenüberstehen werden. „Eine lange Periode der Ungewissheit“ sei deshalb zu erwarten, sagt ein erfahrener Beobachter. Die ungewöhnlich vielen inoffiziellen Informationen, die aus dem Weißen Haus an die Medien durchsickern, sind ebenfalls ein Zeichen für Spannungen innerhalb der Führungsmannschaft.

Aufgabe bisheriger Positionen

Der Einreisestopp ist nicht das einzige wichtige Thema, bei dem Trumps Mannschaft an ihre Grenzen stößt. Auch beim Thema Iran verlässt Trump bisherige Positionen: Von seiner Ankündigung, das internationale Atomabkommen mit Teheran aufzukündigen, ist keine Rede mehr. Die verkündeten neuen US-Sanktionen gegen den Iran stellen das Abkommen nicht infrage.   Auch das Wahlkampfversprechen einer raschen Aufhebung der Gesundheitsreform Obamacare seines Vorgängers Barack Obama wird relativiert. Möglicherweise werde Obamacare erst im nächsten Jahr durch ein neues System ersetzt, sagte er.

Zugleich gerät Trumps Team wegen des Fehlverhaltens einiger Säulen unter Druck. Sicherheitsberater Michael Flynn soll Russland vor Trumps Amtsantritt eine Lockerung der Sanktionen wegen mutmaßlicher Hackerangriffe auf den US-Wahlkampf in Aussicht gestellt haben; die Bundespolizei FBI ermittelt. Die Rückschläge bedeuten jedoch nicht, dass sich Trump nun ändern wird. Wie vom Präsidenten und von Conway angekündigt, wird die Regierung weiter für den Einreisestopp streiten. Muslim-Aktivist Ayoub warnte deshalb vor Euphorie: „Dies ist ein langer Kampf, und er hat gerade erst begonnen.“