Die Region Stuttgart wird in Szene gesetzt: Solche Werbemaßnahmen kosten Geld – und der Fiskus wird jetzt wahrscheinlich einen zusätzlichen Aufwand verursachen. Foto: dpa

Viele Jahre ging alles glatt. Nun aber haben Betriebsprüfer des Finanzamts die regionale Tourismusförderung kalt erwischt. Sie soll Zuschüsse ihrer Träger versteuern – vielleicht sogar rückwirkend. Sie bangt um viel Geld. Die Problematik betrifft im Grunde auch andere kommunale GmbHs.

Stuttgart - Der Tourismus in der Region Stuttgart soll blühen. Dafür geben die Städte und Gemeinden Jahr für Jahr Geld aus. Wenn die Bemühungen ihrer Marketingspezialisten nicht zurückgeworfen werden sollen, müssen die (Ober-)Bürgermeister und Gemeinderäte höchstwahrscheinlich sogar bald deutlich tiefer in die Kasse greifen.

Der Grund: Betriebsprüfer des Finanzamts konfrontierten die in Stuttgart ansässige Regio Marketing- und Tourismus GmbH jetzt mit der Forderung, die Zuschüsse ihrer kommunalen Träger zu versteuern.

Im Moment spricht man über das Geschäftsjahr 2006. Müssten bis dahin rückwirkend 19 Prozent Umsatzsteuer entrichtet werden, würde sich das auf rund zwei Millionen Euro summieren – ohne Zinsen. Was 2013 und die folgenden Jahre angeht, stehen Steuerzahlungen von jeweils 328.000 Euro zur Debatte, denn der Verband Region Stuttgart, der Verein Regio e. V. und die Stuttgart-Marketing GmbH als Tourismusfördergesellschaft der Stadt Stuttgart überweisen je 575.000 Euro pro Jahr, insgesamt 1,725 Millionen.

Die Gesellschafter sind alarmiert. Der Waiblinger OB Andreas Hesky trommelte als Vorsitzender des Regio-Vereins außerplanmäßig die Mitglieder zusammen. Jüngst stimmte er die Vertreter der 35 Mitglieder – Kommunen der Region oder deren Tourismusorganisationen – auf mögliche Folgen ein. „Über uns schwebt ein Damoklesschwert“, sagte Hesky auf Anfrage, „und die Frage ist, wie wir es entschärfen.“

Noch ist ungewiss, wie das Finanzamt sich nach den derzeit laufenden Verhandlungen entscheiden wird: ob es rückwirkend Geld sehen will, nur ab dem Geschäftsjahr 2013 oder ob die Forderung vielleicht noch ganz abgewendet werden kann. Möglicherweise, sagt Hesky, werde man sich gesellschaftsrechtliche Konsequenzen überlegen müssen. Sprich: Vielleicht wird man von der Organisationsform der GmbH wieder abkommen müssen, um die Steuerpflicht zu vermeiden. Nach Heskys Auffassung käme das aber einem Bruch mit dem bisherigen Kurs gleich, denn die GmbH sei eine schlanke, kostensparende Organisationsform, die im Einklang stehe mit der Gemeindeordnung. Anders ausgedrückt: Diese Gesellschaften haben einen öffentlichen Auftrag und sind nur deshalb ausgelagert, weil man so schneller und schlagkräftiger arbeiten kann.

Heskys Verdacht: „Das Ministerium bläst zum Angriff“

Hesky und seine Kollegen fürchten einen Dominoeffekt. Denn in kommunale GmbHs haben die Städte und Gemeinden nicht nur die Tourismusförderung ausgelagert, sondern auch andere Aufgaben. Möglicherweise, heißt es, könnte auch dort von Betriebsprüfern bald die Umsatzsteuerpflicht ausgerufen werden. Nach seiner Kenntnis, sagt Hesky, handle es sich hier um ein baden-württembergisches Thema. Das Finanzministerium unter dem SPD-Politiker Nils Schmid jedenfalls verteidige dieses Vorgehen. Heskys Verdacht: „Das Ministerium bläst zum Angriff.“ Er frage sich, ob das ein neuer Dreh des Ministeriums zur Geldbeschaffung sei. Eine Stellungnahme dazu war vom Ministerium am Freitagnachmittag auf telefonische Anfrage nicht zu erhalten.

Armin Dellnitz, Chef der Regio Marketing und der Stuttgart-Marketing GmbH, spricht sogar von einem republikweiten Problem. Es gebe kaum eine touristische Organisation in Deutschland, die nicht in einem Vakuum arbeite. Die Anforderungen an diese Gesellschaften seien je nach örtlichen Gegebenheiten und Finanzämtern unterschiedlich.

Walter Rogg, nebenamtlicher Geschäftsführer der Regio Marketing und hauptamtlicher Chef der regionalen Wirtschaftsförderung, verfolgt die Spuren zurück bis nach Brüssel. Eine einschlägige Richtlinie der EU-Kommission sei in Deutschland nicht in nationales Recht umgesetzt worden. Von den Finanzgerichten gebe es unterschiedliche Entscheidungen. Jahr für Jahr habe die Regio Marketing GmbH bis zum Geschäftsjahr 2005 Steuerbescheide bekommen – aber die Trägerzuschüsse hätten nie versteuert werden müssen. Die Folge: „Wir haben keine Rücklagen gebildet“, sagt Dellnitz. Bestärkt worden sei man darin durch eine Erklärung des Finanzamts an die Adresse von Stuttgart-Marketing, dass die Umsatzsteuerpflicht bei solchen Zuschüssen nicht greife. „Das war im Jahr 1999“, sagt Dellnitz. Auch aus dem Grund hofft er auf Gnade im Finanzamt – auf eine baldige Lösung, die zumutbar sei. Bereits die Möglichkeit, dass die Umsatzsteuerpflicht nur für die Zukunft bestehe, „ist für uns beunruhigend“, sagt Dellnitz.