Vanessa Bungardt ist im ersten Lehrjahr im Hotel Mövenpick und sehr zufrieden. Foto: Caroline Holowiecki

Die IHK-Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen hat in Leinfelden-Echterdingen ihren Berufsparcours ausgerichtet – erstmals bei einem Gymnasium als Gastgeber. Was steckt dahinter?

Was haben Gameboy-Spiele mit der Firma Balluff zu tun? Eigentlich nichts. Und dann doch wieder jede Menge. Der Anbieter im Bereich Automation und Hersteller von Sensortechnik mit Sitz in Neuhausen will junge Leute für sich begeistern, und wie geht das cooler als mit einem selbst gebauten Videospiel? Dazu müssen nur ein paar Kabel und Platinen verknüpft und Schrauben eingedreht werden. Powerbank angestöpselt, fertig. Und ganz nebenbei ist vielleicht noch ein potenzieller neuer Azubi im Bereich Elektroniker für Geräte und Systeme gefunden.

An diesem Vormittag findet in Leinfelden-Echterdingen zum ersten Mal ein Berufsparcours der IHK-Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen statt, in Zusammenarbeit mit der städtischen Wirtschaftsförderung. An 20 Ständen können junge Leute Firmen aus dem Landkreis kennenlernen. Die Pflegebranche ist vertreten, die Automobilbranche, der Einzelhandel, Softwaretechnik, Hotellerie und mehr. Ziel: Teenager für eine Ausbildung oder ein Duales Studium gewinnen.

Problematik der Nachwuchskräftegewinnung

Das Engagement ist nötig. Noch nie war laut IHK die Problematik der Nachwuchskräftegewinnung für die Unternehmen so brisant wie derzeit. Durch die Lockdowns sind berufsorientierende Maßnahmen wie Praktika und damit Bewerbungen ausgeblieben. Tatsächlich ist die Zahl der Ausbildungsverträge im Bereich Industrie, Handel und Dienstleistungen im Kreis von 2100 bis 2200 in Vor-Corona-Jahren auf 1700 bis 1800 gesunken, sagt Dieter Proß, der Leiter des Referats Beruf und Qualifikation. Zwischenzeitlich hätten sich die Zahlen etwas erholt, dennoch werden junge Leute händeringend gesucht, da sich zurzeit in vielen Branchen die Babyboomer in den Ruhestand verabschieden. Das merkt auch die Stadtverwaltung Leinfelden-Echterdingen, die beim Berufsparcours mit einem Stand vertreten ist. 50 offene Stellen gibt es laut dem Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell dort, davon allein 20 im Bereich Erziehung. „Es kommt von unten weniger nach“, sagt er. Jugendliche könnten sich heute aussuchen, wo sie arbeiten wollen.

Die IHK nimmt Gymnasiasten in den Blick

Die IHK nimmt daher zunehmend die Gymnasiasten in den Blick und baut ihr Angebot an berufsorientierenden Veranstaltungen aus. Man wolle junge Leute über die Schularten hinweg ansprechen, erklärt Christoph Nold, der leitende Geschäftsführer, „wir sehen, dass an Gymnasien mittlerweile die Hälfte aller Schüler ist“. So kommt es, dass mit dem Philipp-Matthäus-Gymnasium erstmals ein Gymnasium als Gastgeber für den IHK-Parcours auftritt. Der Schulleiter Wolfgang Krause findet das wichtig. „Wir müssen unseren Schülern Perspektiven eröffnen, die in alle Richtungen gehen.“ Nicht jeder Abiturient sei zwangsläufig für ein Studium geeignet.

Beim Berufsparcours können an diesem Vormittag mehr als 300 Neunt- und Zehnklässler aus verschiedenen weiterführenden Schulen in der Stadt Betriebe und Branchen kennen lernen. Das Ganze ist bewusst niederschwellig und spielerisch. Am Stand des Stuttgarter Mövenpick-Hotels geht es darum, Tische perfekt einzudecken und gekonnt Tabletts zu tragen, bei der Versicherung Real Garant mit Sitz in Denkendorf müssen die Jugendlichen beim Klötzchenstapeln in Teams zusammenarbeiten – und ganz nebenbei ihre kommunikativen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Offene Azubistellen gibt es in allen befragten Unternehmen, und die niederschwellige Art der Präsentation kommt bei potenziellen Bewerbern an. Die 16-jährige Dilara jedenfalls wirkt interessiert. „Ich hatte immer im Kopf, zum Zoll zu gehen. Aber jetzt habe ich auch andere Ideen.“