Über den Auftrag der Wähler gehen die Meinungen auseinander. Foto:  

Am Montag konstituiert sich der neue Rems-Murr-Kreistag. Wie in einigen Kommunalparlamenten sitzen dort nicht alle am vom Wähler für sie bestimmten Platz – das sorgt für Zank und Streit.

Mandate - Es war ein echter Sturm der Entrüstung, der da jüngst während der Abschiedssitzung des alten Kreistags durch den Ghibellinensaal im Waiblinger Bürgerzentrum gefegt ist. Der Anlass: Die Grüne Ulrike Sturm wird ihr bei den Wahlen im Mai errungenes Kreistagsmandat nicht antreten. Und die Regional- und altgediente Backnanger Gemeinderätin, der ein drittes Mandat angesichts des eigenen Vollzeitjobs zu viel scheint, ist nicht die einzige: Auch der designierte Fraktionskollege und Kernener Grüne Matthias Kramer schlägt den Wählerwillen in den Wind. Zu viele Mandate für einzelne – der Fluch des große Wahlerfolgs?

Empörung im Ghibellinensaal

Eher ein Zeichen für den Verfall politischer Sitten, schallte es im Bürgerzentrum empört durch den Saal. Es stimme ihn höchst nachdenklich, verkündete der altgediente SPD-Kreisrat Klaus Riedel, wenn Leute sich für politische Ämter bewerben „und am Ende suchen sie sich heraus, welches Mandat sie dann annehmen“. Das schüre Wählerverdruss und sei, so der CDU-Fraktionschef Reinhold Sczuka, „politisch schlechter Stil“. Zumal es sich ja bei der Wahl in den Kreistag um eine Persönlichkeitswahl handle. Selbst aus den eigenen Reihen der Grünen steuerte Christel Brodersen nur ein wachsweiches Bedauern angesichts einer persönlichen Entscheidung“, die man „bitte nicht auf die Grünen schieben“ möge.

Die Retourkutsche der allseits Gescholtenen folgte prompt. Sie arbeite nun mal Vollzeit und sei „keine Beamtin, kein Bürgermeister und kein Vollzeitpolitiker“ – was wiederum die Schultesfraktion im Kreistag kräftig in Rage brachte. Im Nachgang der Sitzung bekam dann auch die eigene Partei von der Dreifachgewählten ihr Fett ab: Hätte man sie auf Platz eins der Regionsliste gesetzt, wäre klar gewesen dass sie dort ein Mandat bekommen würde. Dann hätte sie auf die Kreistags-Kandidatur verzichten können. Eine Mandatsabsicherungsstrategie, so ist inzwischen zu hören, die bei den Grünen als Platzhirschgehabe und Mandatsgarantie auf wenig Begeisterung stößt.

Zwei FDP-Rätinen bilden eine eigene Gruppe

Eine, die in ihrer Partei nicht mehr wohl gelitten ist, wird derweil im Kreistag wieder mit dabei sein. Gudrun Wilhelm gehört aber nicht mehr der FDP/FW-Fraktion an. Sie bildet mit der ebenfalls von einem Ausschlussverfahren betroffenen Charlotte Klinghofer zunächst eine eigene Kreistags-Gruppe. Beiden wird – wie insgesamt fünf Mitgliedern des FDP-Ortsvereins Backnanger Bucht – vorgeworfen, bei der Regionalwahl für eine konkurrierende Liste kandidiert zu haben.

Aus Unzufriedenheit mit der FDP-Besetzung hatte Wilhelm bei der Regionalwahl eine eigene Liste namens „Freie Regionale“ an den Start gebracht, die allerdings ohne Mandat geblieben war. Wilhelm: „Wir warten jetzt das Ergebnis des Verfahrens ab und dann entscheiden wir, wie es im Kreistag weiter geht.“

Heftiger Zoff über eine Mandatswahrnehmung tobt derweil auch in Schorndorf. Dort hat die Stimmenkönigin der Grünen, Andrea Sieber, zunächst angekündigt, ihre Fraktion wegen interner Querelen und Unstimmigkeiten verlassen zu wollen, um sich der CDU-Fraktion im Schorndorfer Stadtparlament anzuschließen. Der Kreisverband hat sie daraufhin aufgefordert, das Mandat – das den Grünen gebühre – niederzulegen. Sieber hingegen besteht auf Prinzip und Auftrag der Persönlichkeitswahl und will das Amt wahrnehmen. Angesichts persönlicher Anfeindungen und „geballtem Hass“ gegen sie und ihre Familie, so ließ sie in dieser Woche verlauten, werde sie nun dem Wählerwillen als fraktionslose Stadträtin nachkommen.

Im Kreistag wiederum werden bei dessen konstituierender Sitzung am Montag unter den insgesamt 91 Gremiumsmitgliedern bereits zwei Nachrücker in den Reihen der Grünen sitzen: Juliana Eusebi und Marilena Fazio. Die eine beerbt Ulrike Sturm, die andere Matthias Kramer.