So könnte es aussehen, wenn über Discountern Wohnungen entstehen. Die Animation zeigt ein von Aldi geplantes Wohnprojekt in Berlin Lichtenberg. Foto: picture alliance/dpa

Im Außenbereich kann die Stadt nicht mehr groß wachsen, nun sucht sie im Innenbereich nach Platz zum Bauen. Dabei setzt sie unter anderem auf den Ausbau von Dachgeschossen. Voraussichtlich werden nicht alle Ideen auf Zustimmung stoßen.

Ludwigsburg - Als Matthias Knecht noch nicht Oberbürgermeister von Ludwigsburg war, sondern Wahlkämpfer, äußerte er einen Vorschlag, der, um es neutral zu formulieren, hier und da Staunen hervorrief: Matthias Knecht (parteilos) schlug vor, Dachgeschosse auszubauen, um damit Wohnraum zu gewinnen. Ein Jahr später ist klar: Ludwigsburg fahndet nach ausbaufähigen Dachgeschossen. Die Maßnahme stammt aus dem „Instrumentenkasten“, mit dem die Stadt auf die Situation auf dem Wohnungsmarkt reagiert, der so angespannt ist, dass vom 1. Juni an auch in Ludwigsburg die Mietpreisbremse gilt. Da Ludwigsburg im Außenbereich nicht mehr groß wachsen kann, richtet sich der Blick nun nach innen. Die Instrumente des kommunalen Kastens sind nun erstmals im Verwaltungsausschuss präsentiert worden. Es zeigte sich: Die Anwendung einiger Instrumente wird schmerzhaft sein.

Mehr Platz im Dach

Wie ein ausgebautes Dach auch aussehen kann, ist in der Adalbert-Stifter-Straße zu betrachten. Dort hat die städtische Wohnungsbau (WBL) eines ihrer Gebäude saniert und bei dieser Gelegenheit fünf neue Wohnungen geschaffen – ohne zusätzliche Fläche zu verbrauchen. Das Geheimnis liegt in der so genannten Dachaufstockung bei Bestandsgebäuden. Die Verwaltung will analysieren, bei welchen Immobilien – privaten wie kommunalen – eine solche Aufstockung theoretisch möglich wäre. Im Idealfall verbindet sich eine solche Wohnraumgewinnung mit einer ohnehin anstehenden Sanierung – vorausgesetzt, sie ist statisch und rechtlich möglich. Auch diese Prüfung ist Teil der Analyse, die die Mitglieder des Ausschusses unisono für sinnvoll halten.

Weniger Autos vorm Haus

Normalerweise ist es so, dass pro Wohneineinheit, die neu gebaut wird, ein Stellplatz eingerichtet werden muss. So schreibt es die Landesbauordnung vor. Ist Platz knapp, wird Bauen dadurch in der Regel komplizierter. Oder teurer, weil eine Tiefgarage miterrichtet werden muss. Mit einer Stellplatzsatzung möchte die Verwaltung dies künftig vermeiden. In dieser Satzung könnte zum Beispiel festgeschrieben werden, dass pro Wohneinheit nur 0,5 Stellplätze nachzuweisen sind – vorausgesetzt, das Gebiet ist gut an den ÖPNV angebunden oder die Bewohner verpflichten sich zum Car-Sharing.

OB Knecht betonte, dass Bauvorhaben dadurch erleichtert werden sollen. Speziell die CDU sieht das Thema trotzdem „sehr, sehr kritisch“, wie es der Fraktionschef Klaus Herrmann formulierte. Er schlug vor, dass Bauherren eine sogenannte Ablöse bezahlen, falls sie nicht ausreichend Stellplätze schaffen können. Mit dem Geld könnte die Stadt dann eine Quartiersgarage erstellen.

Fahndung nach Baulücken

Bei einer vorerst groben Erhebung des noch verfügbaren potenziellen Baulandes in Ludwigsburg hat die Verwaltung 182 Baulücken im Stadtgebiet entdeckt. Einer überschlägigen Rechnung zufolge könnten darauf 538 Wohneinheiten entstehen – wenn die Eigentümer bereit wären, ihre Grundstücke zu bebauen. Die Stadt will nun ein sogenanntes Baulandkataster erstellen, in dem alle Flächen dargestellt werden, die für die Innenentwicklung infrage kommen. In diesem Kataster sollen nach der Vorstellung der Verwaltung auch die Eigentümer veröffentlicht werden. Ein Baugebot wie in Tübingen komme für Ludwigsburg nicht in Betracht, betont Matthias Knecht. Vielmehr gehe es darum, Eigentümer „aktiv zu beraten“. Doch die Stadträte sind skeptisch, vor allem was die Veröffentlichung der Daten angeht.

Der Verein Haus und Grund rät seinen Mitgliedern, zuerst mit ihm zu sprechen, sollte die Stadt Kontakt aufnehmen. Und die SPD weist darauf hin, dass die Eigentümer ein Widerspruchsrecht haben.

Flächenwachstum nach oben

Man nehme einen großen Parkplatz, zum Beispiel den an der Pädagogischen Hochschule, und errichte in ausreichend Abstand zu den parkenden Autos ein Wohngebäude darüber. Oder man nehme eine Kita, die aus nur einem Stockwerk besteht. Oder einen Discounter. Theoretisch könnte sich Wohnraum so rasch vervielfachen. Eine Studie der TU Darmstadt hat ermittelt, dass bundesweit 20 000 Wohneinheiten entstehen könnten, wenn über Parkhäusern in Innenstädten Wohnhäuser entstünden. Und 560 000 Einheiten wenn Büro- und Verwaltungsgebäude aufgestockt würden. Welche Potenziale im Höhenwachstum in Ludwigsburg ruhen, soll eine Analyse zeigen. Dass es problematisch werden kann, wenn sich Wohnraum und Gewerbe zu nah kommen, ist den Kommunalpolitikern bewusst. Solche Zielkonflikte möchten sie vermeiden.

Kooperation mit Privaten

Neues Bauland darf in Ludwigsburg ausschließlich von der Stadt erschlossen werden. Das hat der Gemeinderat vor Jahren beschlossen. Allerdings gibt es immer wieder Grundstückseigentümer, die ihre Liegenschaft partout nicht an die Stadt verkaufen wollen. Die Verwaltung will in solchen Fällen mit privaten Bauträgern kooperieren, um auf diesem Weg doch noch Wohnraum zu generieren.

Grundsätzliche Diskussion

Im Grundsatz hat der Verwaltungsausschuss diesem Instrumentenkasten mit großer Mehrheit zugestimmt. Die Debatten über die einzelnen Maßnahmen stehen allerdings erst noch bevor. Im Laufe des zweiten Halbjahrs will die Verwaltung den zuständigen Ausschüssen konkrete Vorschläge präsentieren. Dann dürfte auch die Diskussion grundsätzlich werden. Einen Vorgeschmack gab es bereits: „Wie viel Wohnraum wollen wir?“, fragte Klaus Herrmann rhetorisch und verwies auf die Folgen für die Infrastruktur. Und Daniel O’Sullivan von der SPD mahnte, auch Innenentwicklung sei nicht endlos möglich. „Wir können nicht jede Grünfläche zubauen.“