Nachtschicht-Pfarrer Ralf Vogel bei der Fridays-for-Future-Demo Foto: Lichtgut

Besser hätte Pfarrer Ralf Vogel seinen Nachtschichtgottesdienst nicht legen können. Just nach diesem Wahlergebnis thematisiert er am Donnerstag im Theaterhaus den Klimaschutz.

Stuttgart - Vielleicht hat sich der Wind nun gedreht. Gut möglich, dass die etablierten Politiker den ZDF-Meteorologen Özden Terli und seine Kollegen nach dem Wahlergebnis vom Sonntag ernstnehmen. Bisher hatten sich die Wissenschaftler den Mund fusselig geredet. Aber in der Bundesregierung hören sie laut Terli mehr auf die Lobbyisten. „Mit besten Argumenten erklärten wir, dass dem Planeten Erde die komplette Zerstörung droht, wenn sich nichts ändert. Dass es beim Klimaschutz eigentlich nicht fünf vor zwölf ist, sondern fünf nach zwölf“.

Drastische Worte, die bisher kaum Widerhall fanden. Bei Özden Terli löste die Ignoranz der Politiker („Sie haben es immer noch nicht kapiert“) und deren Irrglaube an ein stetiges Wachstum die ganze Bandbreite an Emotionen aus: Frust, Wut, Resignation.

Es geht um Vertrauen in die Zukunft

Und dann kam der Anruf und das Angebot des Stuttgarter Pfarrers Ralf Vogel: „Wollen Sie bei beim nächsten Nachtschicht-Gottesdienst dabei sein?“ Natürlich will er. Zusammen mit der Sängerin Nneka Egbuna und den Organisatorinnen von Fridays for Future Stuttgart spricht Vogel am Himmelfahrtstag um 19 Uhr im Theaterhaus mit dem ZDF-Wettermoderator über das Thema „Vertrauen in die Zukunft“.

Vogel, der seit fast 20 Jahren Gäste von Rang und Namen bei seinem besonderen Veranstaltungs-Format präsentiert, weiß inzwischen wie man Prominente dafür gewinnt: mit Freundlichkeit und Schläue. Im Falle von Özden Terli war es auch der Trigger „Klimareligion“. Denn Terli und andere Wissenschaftler werden von manchen Medien mit ihren Fakten zum Klimawandel immer wieder in eine religiös-esoterische Ecke gestellt. Das ärgert die Wissenschaftler.

Auf eine andere Weise ist mit dem Reizwort „Klimareligion“ die Brücke zum Gottesdienst im Theaterhaus geschlagen, der sich dem Vertrauen in die Zukunft widmet und die Frage stellt: Was können wir alle zum Klimaschutz beitragen?

Ralf Vogel glaubt, dass immer noch nicht genug Menschen „die Dimension dieser existenziellen Frage für die Menschheit nachvollziehen können“. Die Sache sei zu komplex. Ähnlich wie beim Thema Stuttgart 21. Die Fakten für und wider das Bahnprojekt seien nicht mehr einfach nachvollziehbar, glaubt Vogel. Die Folge sind Verdrängung oder Desinteresse. Doch der Pfarrer kann und will damit nicht abfinden. Er kämpft und vertraut. Ganz nach dem Motto: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott, vertraut er auf einen guten Ausgang in allem, was er anpackt. Seine Frau erklärt ihn deshalb manchmal für verrückt: „Wie kannst du nur? Das schaffst du nie.“

Dieser Mann löst oft Kopfschütteln aus. Auch bei seinem aktuellen Nachtschicht-Gottesdienst. Natürlich hätte Ralf Vogel die Sache bescheiden in der Obertürkheimer Andreaskirche über die Bühne bringen können. Stattdessen geht der Protestant in die Vollen. Er will das Theaterhaus mit 1000 Plätzen füllen. „Große Themen, brauchen einen großen Raum“, sagt er, „der Klimawandel hat so ein monströses Ausmaß. Aber alle zusammen können wir etwas bewegen. Noch gibt es Gestaltungsspielraum.“

Jugendliche finden Gehör

Doch dazu brauche man Mut. Vogel will Menschen ermutigen. Natürlich auch durch seinen Glauben als Christ. „In der Welt passieren doch immer wieder unfassbare Dinge, wie etwa der Mauerfall und die Wiedervereinigung“, sagt er, „deshalb dürfen wir nie aufgeben – immer im Vertrauen, dass wir die Hilfe Gottes bekommen.“

Eine besondere Hilfe sei nun durch den empörten Aufschrei der Kinder und Jugendlichen gekommen. Was Wissenschaftlern in den vergangenen Jahren nicht geschafft hätten, sei diesen jungen Menschen gelungen: „Plötzlich hört man ihnen zu. Sie haben es geschafft, dieses Thema Klimaschutz und Zukunft der Erde zurück ins Leben zu holen und Menschen zusammenzubringen.“ Für den Pfarrer gibt es daher – erst Recht nach diesem Wahlergebnis – nur ein Motto: „Jetzt gilt’s, die Welt zu bewahren. Worauf warten?“ Natürlich meint er damit auch seinen Nachtschichtgottesdienst: „Ich hoffe auf ein volles Theaterhaus.“

Die Nachtschicht ist kostenlos. Eine Platzreservierung ist über das Theaterhaus möglich, Telefon: 0711/4020720.