Schlechte Nachrichten für Schläger und Randalierer: Das Stuttgarter Nachtleben will eine gemeinsame Bann-Liste gegen Störenfriede führen – Hausverbote sollen lokalübergreifend durchgesetzt werden.
Stuttgart - Wahrscheinlich werden die Täter, die Yusuf Oksaz’ Toiletten im Billie Jean zertrümmert haben, nie erwischt. Das lehrt die Erfahrung der Clubbetreiber, bei denen randaliert wurde. Dennoch setzen Türsteher oder Wirte im Stuttgarter Nachtleben Störenfriede reihenweise vor die Tür. Für Schläger oder eben Randalierer ist der Effekt oft überschaubar: Geht man halt in den nächsten Club, die nächste Bar, die nächste Kneipe.
Damit soll bald Schluss sein. Das Projekt „Nightwatch“, an dem unterschiedliche Akteure des Stuttgarter Nachtlebens, die Stadt und eine Anwaltskanzlei aktuell arbeiten, soll als Zentralregister für Personen dienen, die unangenehm im Nachtleben auffallen und mit einem kollektiven Hausverbot aller beteiligten Institutionen belegen. Ein Mal Hausverbot, überall Hausverbot.
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Gregor Belgardt von der Stabstelle Kriminalprävention feilt derzeit mit am Konzept. „Von städtischer Seite geht es uns darum, ein sicheres Nachtleben zu gewährleisten“, sagt er. Beschwerden, die beim Ordnungsamt über Vandalismus und anderes Fehlverhalten im Nachtleben eingehen, würden wieder mehr. „Es gibt ein zunehmendes Unsicherheitsgefühl in Stuttgart.“
Wer trotzdem ausgeht, begeht Hausfriedensbruch
Die Idee einer Kartei lokalübergreifender Hausverbote soll ungefähr so funktionieren: Wer massiv negativ auffällt, dessen Personalien nehmen die Gastronomen und Clubbetreiber auf, oder, falls die Herausgabe unbegründet verweigert wird, die Polizei selbst. Die Personalien landen bei einer Kanzlei, die die Personen abmahnt. Machen die Personen in einer der beteiligten Lokalitäten erneut Radau, sodass ihre Personalien erneut aufgenommen werden, droht eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch.
Am Einlass der Clubs, Bars und Gaststätten dürfte sich die Regelung wohl als zahnloser Tiger erweisen – schließlich werden dort ja keine Personalausweise kontrolliert, abgesehen vom Alter der Gäste. Dennoch könnte die Liste abschreckende Wirkung entfalten, glaubt man bei der Stadt. „Alle wird das natürlich nicht davon abhalten, sich daneben zu benehmen, aber einige mit Sicherheit“, sagt Gregor Belgardt von der Kriminalprävention.
Datenschutztechnisch sieht die Stadt das Vorgehen, die Personalien der Störenfriede zentral zu sammeln als unproblematisch an, auch unter der Berücksichtigung der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Das Konzept der mitwirkenden Kanzlei sei juristisch überzeugend, heißt es vom Ordnungsamt.
Uneinigkeit beim Thema Datenschutz
Nicht alle Juristen sind sich da so sicher. „Es ist gesetzlich durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vorgeschrieben, dass die Datenverarbeitung einer Rechtsgrundlage bedarf“, sagt Anwalt Lars Twelmeier aus Ulm, der auf Datenschutz spezialisiert ist. Discothekenbetreiber dürften hierfür zwar zunächst ein berechtigtes Interesse zur Wahrung ihres Hausrechts haben. „Aber die Weitergabe der Daten würde ich als problematisch ansehen.“
In jedem Fall habe der Besucher umfassende Auskunftsrechte, was mit seinen Daten passiere. „Gäste, denen ein Hausverbot erteilt wurde, und deren Daten ohne Einwilligung weitergegeben wurden, können dieser Datenverarbeitung widersprechen und versuchen, Ihre Rechte – etwa auf Löschung – im Rechtswege durchzusetzen“, erklärt Twelmeier.
Das Club-Kollektiv Stuttgart, unter dessen Dach sich etwa 40 Clubbetreiber tummeln, würde ein Instrument wie flächendeckendes Hausverbot dennoch begrüßen. „Die Beobachtung, dass eine verhältnismäßig geringe Zahl an Störenfrieden einen Großteil der Probleme verursacht, teilen wir. Deshalb wäre es auch für das Image unseres Nachtlebens notwendig, diese Personen konsequent in die Schranken zu weisen“, sagt Colyn Heinze vom Vorstand.
Rückendeckung von Clubbetreibern
Damit meint er, wovon Clubbetreiber schon länger klagen. Michael Gottschalk, der Chef vom Club Climax an der Calwer Straße, betont, dass die meisten Nachtschwärmer zwar unkompliziert sind. „Es ist sicher nur eine kleine Zahl von Fehlgeleiteten, aber die versauen am Ende den anderen den Abend“, sagt Gottschalk. Wenn sich alle Clubs solidarisch zeigten und die Täter nirgends mehr reinkommen würde, „wäre der Spaß für einige Vandalen ganz schnell vorbei.“
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Ganz neu ist das Projekt „Nightwatch“ nicht. Einen ähnlichen Vorstoß hatte es bereits 2009 in Stuttgart gegeben. Der Veranstalter Alex Buchanan, der auch diesmal unter den Mitwirkenden ist, versuchte bereits damals in enger Abstimmung mit der Polizei, ein ähnliches Konzept zu verwirklichen, um das Nachtleben in Stuttgart sicherer zu machen. Damals war die Sache im Sande verlaufen.
Ob das Vorhaben diesmal von Erfolg gekrönt sein wird? Ende Juni oder Anfang Juli wissen wir mehr. Dann soll das Thema beim Runden Tisch „Innenstadt bei Nacht“ auf die Agenda kommen. Es könnte ein schicksalhafter Tag für die Schläger und Vandalen in Stuttgart werden.