Ein Schauspiel von 1810, eine Oper von 1960, eine Produktion von 2019: „Der Prinz von Homburg“ entpuppt sich an der Staatsoper Stuttgart als ungemein heutig.
Stuttgart - In seinem Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg“ beschreibt Heinrich von Kleist 1810 den Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft, Freiheit und Staatsräson. 1960 haben Hans Werner Henze und Ingeborg Bachmann aus dem Stück eine Oper gemacht, die den Geist der Nachkriegsjahre atmet. Am Sonntagabend hat Stephan Kimmig an der Staatsoper Stuttgart „Der Prinz von Homburg“ als differenzierte Etüde über Freiheit in unserer Zeit inszeniert: ein szenisch packender Abend voller fein bedachter Details, für den Katja Haß einen nüchtern weiß gekachelten Bühnenraum gebaut hat, der halb Schlachthaus ist und halb Ballettsaal. Auch musikalisch gerät die Produktion glänzend. Der Generalmusikdirektor Cornelius Meister führt das Staatsorchester mit Sinn sowohl für pathetische Gesten als auch für kammermusikalische Feinheiten durch eine Partitur, die Anklänge an Strawinskys rhythmische Komplexität mit Erbgut von Mahler und Berg zu einem ganz eigenen, sehr theaternahen Tonfall verschmilzt. Die Sänger, allen voran Robin Adams in der Titelpartie, Moritz Kallenberg als Graf Hohenzollern, Vera-Lotte Böcker als Natalie und Stefan Margita als Kurfürst, sind allesamt exzellent besetzt. Patina? Von wegen! Die Oper, ihre Vorlage und die Darbietung sind brandaktuell. (ben)