Eric Gauthier und seine Tanzkompanie sorgen für beste Stimmung in der Halle Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In der Schule lernt man für den Pisa- Test. Bei Joe Bauers Nacht der Lieder fürs Leben. Die 16. Benefiz-Gala zu Gunsten der Aktion Weihnachten unserer Zeitung lehrt: Die Kunst ist bunt und Stuttgart vielfältig. Oder anders ausgedrückt: Die Welt ist halt ein seltsames Vogerl.

Stuttgart - So schnell wird man Teil einer Tanzkompanie. Kaum hat das Publikum nach der Pause auf den Sitzen im Theaterhaus Platz genommen, heißt es: Aufstehen! Conférencier Eric Gauthier will Gelerntes gleich in die Praxis umsetzen. Von den Forschungen seines Vaters über die Alzheimer-Krankheit hat der kanadische Sänger und Tänzer zuvor erzählt und davon, dass es hilft, Kopf und Körper in Bewegung zu halten. Gesagt, getan: die Besucher der Nacht der Lieder sind gefordert. Schließlich dauert die Benefiz-Gala zu Gunsten der Aktion Weihnachten an die vier Stunden. So langes Sitzen braucht Ausgleich. Des Entertainers Gauthier-Dance-Truppe gibt den Takt vor und schon wiegt sich das Publikum hin und her, zeigt große Posen und lässt mit den Händen imaginäre Regentropfen vom Himmel fallen. Großer Sport mit Lerneffekt – und viel Gelächter. „Ihr seid Wahnsinn! Ich hätte nie gedacht, dass das klappt“, sagt Gauthier.

Es ist einiges geboten gewesen an den beiden ausverkauften Abenden, an denen die Nacht der Lieder im Theaterhaus gastiert hat. Bereits zum 16. Mal hat StN-Kolumnist Joe Bauer talentierte Nachwuchskünstler und bekannte Größen aus aller Herren Länder und unterschiedlichsten Stilen auf einer Bühne zusammengebracht – von Stuttgart bis nach Afrika. Zu einem bunten, manchmal lauten, zeitweise leisen und ziemlich außergewöhnlichen Programm. Für den Gänsehautmoment sorgt dabei Thabilé: Die südafrikanische Sängerin stimmt passend zu Bauers Text über den unlängst verstorbenen Leonard Cohen dessen Song Hallelujah an – im Saal wird es mucksmäuschenstill.

Das ist nicht immer so. Gauthier, von der ersten Show an dabei, kommt erst zur Erkenntnis, er sei mit der Nacht der Lieder alt geworden, und tritt dann mit dem Publikum in einen Wettstreit im Witzeerzählen. Danach geht es Schlag auf Schlag. Die Big Night Showband unter Leitung von Jens-Peter Abele gibt Vollgas, und Dutzende Künstler zeigen ihr Können. Die bezaubernde Anna Jente, eine junge Sängerin, Pianistin und Liedermacherin aus Markgröningen, präsentiert mit manchmal zarter, manchmal kräftiger Stimme ihre eigenen Popsongs – und darf auf eine große Zukunft hoffen. Direkt vom Auftritt aus Salzburg kommt die Klasse-Geigerin Angelika Strub. Bei der virtuosen „Polonaise Brillante“ von Henryk Wieniawski wird sie am Flügel von Alexander Sonderegger begleitet. Außergewöhnlichen Jazz mit eigenen Kompositionen bietet das Trio Blastonal mit Eberhard Budziat, Stefan Kirsch und Magnus Mehl.

Afro-Soul und Schuhplatteln

Deutlich schräger geht’s bei Diversité zu. Der Stil der deutsch-afrikanischen Gruppe wird als „Afro-Soul und Fröhlichkeit“ angekündigt. Das trifft den Nagel auf den Kopf und geizt nicht mit überraschenden Momenten. Zum Beispiel, wenn Weltmusik auf Schuhplatteln trifft. Das muss sich nicht ausschließen. Schon wieder was gelernt.

Einen echten Bayern gibt’s aber auch noch im Programm: Loisach Marci wird an der Gitarre begleitet von Bandleader Abele, trägt Lederhose und Trachtenhut, hat Alphorn, Mundharmonika und Trompeten dabei – aber das war’s dann auch schon mit dem Klischee. Denn statt Volksmusik bekommt das Publikum etwas geboten, was der Laie wohl am besten beschreibt als explosionsartiges Aufeinandertreffen von Alpensound und Techno. Laut und leise, elektronisch und handgemacht zugleich.

Richtig voll wird’s auf der Bühne beim Auftritt des deutsch-arabischen Hiwar-Chors mit einzigartigen Klängen, die das Publikum von Syrien bis nach Albanien führen. Das Ensemble kommt aus Stuttgart – genauso wie die A-Cappella-Gruppe Füenf. Sie zählt zu den Stammgästen der Nacht der Lieder – und in jedem Jahr zu den Höhepunkten. Auch hier gibt’s was zu lernen: über Beilagensalat und Tofu, Sojawurst und Brokkoli. Oder die erotische Aura eines Thermomix. Und selbst Weisen von Patrick Lindner kommen noch zu Ehren. Zum Beispiel: „Das Glück ist ein seltsames Vogerl.“

Ein Stern am Stuttgarter Comedy-Himmel

Das ist auch Özcan Cosar. Im besten Sinne. Der Stuttgarter ist auf dem direkten Weg zum Comedy-Star und mittlerweile Stammgast im Fernsehen. Kein Wunder. Wenn er tanzt, singt und erzählt, bleibt kein Auge trocken. Und schon wieder wird man schlauer. Denn man erfährt, warum Handwerker keinen Clown frühstücken dürfen oder die Heiligen Drei Könige niemals am deutschen Zoll vorbeigekommen wären.

Noch eine gute Botschaft zum Schluss: der Vorverkauf für die nächste „Nacht der Lieder“ am 5. und 6. Dezember 2017 hat begonnen. Karten gibt es im Theaterhaus, online unter www.theaterhaus.com und telefonisch unter 07 11 / 4 02 07 20. Bis dahin gilt: immer in Bewegung bleiben.