Fauzia Maria Beg – was immer die gebürtige Inderin heute auf der Bühne darstellt, verweist auf ihre Anfänge. Foto: Mario Esposito

Fauzia Maria Beg ist gelebte Musik. Eine nähere Bestimmung ist schier unmöglich. Kein Etikett wird der Künstlerin gerecht. Selbst sagt sie von sich: „Ich bin ein Bühnenmensch.“

Stuttgart - Der Zugang zu Fauzia Maria Beg erschließt sich über ihre Geschichte, die sich in ihrem künstlerischen Schaffen spiegelt. Fauzias Geschichte handelt von Möglichkeiten und Wünschen, Freundschaft und Aufbruch und einem großen Maß an Unbeirrbarkeit und Mut.

„In Mumbai liegen meine Wurzeln“, beginnt sie zu erzählen. Abend für Abend, nach der Arbeit, gibt die Mutter dem Bruder Gesangsunterricht. Nach Gehör singt der Junge westliche Songs aus Radio und TV. Die Mutter begleitet ihn am Klavier. Fauzia, die Jüngere, tanzt gerne. Nebenan befindet sich eine Tanzschule. „Ich war neugierig“, sagt Fauzia. Mit neun oder zehn bringt der Vater sie dort hin. Sie lernt Kathak, einen traditionellen nordindischen Tanz. Dann trennen sich die Eltern. Wenn der Bruder übt, singt Fauzia in der Küche die zweite Stimme. Fauzia schließt die Highschool ab, ein paar Jahre später das College. Ihre Mutter spielt all die Zeit über eine wichtige Rolle. Eine „encouriging person“ sei sie für sie, sagt Fauzia. Obwohl sie fließend Deutsch spricht, mischt sie englische Vokabeln in ihre Sätze.

Bereits als Teenager stand Fauzia Maria Beg als professionelle Sängerin auf der Bühne und verfügte damit über ein festes Einkommen

Als Teenager hat sie auf einer Kreuzfahrt nach Singapur ihren ersten professionellen Gig, ein Jahr später ihr erstes festes Engagement in einem namhaften Hotel. Dadurch verfügt sie über ein kleines, aber geregeltes Einkommen. „Soul, Blues, Pop – das hatte ich alles seit meiner Kindheit im Kopf“, erinnert sich Fauzia. Ein Meilenstein ist der Wechsel in ein anderes, ein internationales Hotel. Die Bar befindet sich im 35. Stock. Ihre Arbeitszeit endet nachts um zwei. Das ist ihre Schule für Jazz.

Da das Hotel am anderen Ende von Mumbai liegt, braucht sie dort ein Zimmer. Und einen Zweitjob, um das Zimmer bezahlen zu können. Ihre Zimmergenossin Sibylle studiert BWL in Hohenheim. Die beiden werden Freundinnen und bleiben in Kontakt. Fauzia möchte gerne Deutschland kennenlernen. Am Goethe-Institut in Mumbai nimmt sie einen zweimonatigen Deutsch-Intensivkurs. In Deutschland wohnt sie bei Sibylles Familie, verbessert ihr Deutsch und bekommt Kontakt zur lokalen Jazzszene. Schnell steht sie auf der Bühne. Eine junge, hochprofessionelle Inderin mit einem immensen Repertoire und einer umwerfenden Bühnenpräsenz. Fauzia verlängert ein Visum nach dem anderen, bekommt einen Vertrag in ihrer damaligen Band und bleibt schließlich hier.

Mit dem Indira Quartet bringt Fauzia Maria Beg ihre eigenen Kompositionen, und sie erzählt damit auch ihre ganz persönliche Geschichte

„Ich wollte mich als Künstlerin immer weiterentwickeln“, sagt sie. Mit einem Freund entdeckt sie die Música Popular Brasileira und wird gut darin. Brasilianer halten sie bald für eine Landsmännin, auch weil Fauzia Portugiesisch gelernt hat. So geht es weiter. Fauzia lernt Samba, Salsa, Stepptanz. Mehr und mehr entfaltet sich ihre künstlerische Strahlkraft. Sie erweitert ihr Spektrum ständig: Soul, Jazz, brasilianische Rhythmen, Jazz-Fusion, Weltmusik. Fauzia singt mit verschiedenen Bands und Partnern. Einen besonderen Stellenwert hat Indira Quartet. „Hier kann ich ganz Inderin sein“, sagt sie. Bei Indira singt sie durchweg eigene Kompositionen. Mit einer Mixtur aus Jazz, indischem, perkussivem Skat und ihrem geliebten Kathak erzählt sie ihre Geschichte. „Bombay-Express Blues“ etwa beschreibt, wie es war, täglich eine Stunde mit dem Zug quer durch Mumbai zu fahren.

Während der Pandemie tritt Fauzia Maria Beg mit einem Musikerkollegen in den Innenhöfen von Alten- und Pflegeheimen auf

„In Mumbai ist man nie alleine“, sagt Fauzia. Sie mag Menschen um sich. Die Pandemie ist daher für Fauzia eine Belastungsprobe. Abgesagte Auftritte und Bühnenabstinenz, Einnahmeausfälle und Schwierigkeiten, Unterstützung zu erhalten – all das zehrt die Monate über an ihren Nerven. Trotzdem oder gerade deshalb beschreitet sie neue Wege, gibt Online-Unterricht, nimmt selbst auch welchen, stellt Musik-Clips online. Und sie tritt mit einem Musikerkollegen in den Innenhöfen von Alten- und Pflegeheimen auf. Auf ihr Honorar verzichten die beiden. „Die alten Menschen auf den Balkonen waren für einen Moment glücklich. Wir haben dadurch gespürt, wie wichtig unsere Arbeit ist. Das hat uns viel gegeben“, sagt Fauzia. Indem sie für andere da ist, anderen durch die Krise hilft, hilft sie auch sich selbst. Bei der „Nacht der Lieder“ im Theaterhaus wird sie von Lorenzo Petrocca (Gitarre) und Jochen Feucht (Saxofon) begleitet. Spielen wird sie einen Jazz-Standard, eine brasilianische Ballade – und vielleicht auch etwas Indisches.

Eintrittskarten für die „Nacht der Lieder“ am 7. und am 8. Dezember gibt es online, telefonisch und an den Kassen des Theaterhauses: www.theaterhaus.com – Tel. 07 11 / 4 02 07 20.