Chronist des Ostküsten-Alltags: Philip Roth (1933 – 2018) Foto: AP

Für viele war er der größte Schriftsteller unserer Zeit. Dabei hat der mit 85 Jahren verstorbene Romancier nie Rücksicht auf Überzeugungen und Empfindlichkeiten genommen. Kaum ein US-Autor ging schonungsloser mit sich und seinem Land ins Gericht.

Stuttgart - Es ist ein Treppenwitz der Nobelpreisgeschichte: Jahr für Jahr blieb Philip Roth diese bis vor kurzem noch wichtigste Ehrung der literarischen Welt verwehrt. Dabei hätte ein einziges seiner insgesamt 31 Werke gereicht, das blasiert-aufgeblasene Verdikt des mittlerweile im Skandalstrudel der Schwedischen Akademie versunkenen Jurors Horace Engdahl zu widerlegen, die amerikanische Literatur sei insgesamt zu oberflächlich, um diese Auszeichnung zu verdienen. Zu oberflächlich? Philip Roth hat so tief in jene Abgründe geschaut, in denen sich die triebgesteuerte Fixierung der männlichen Sexualität auf ihr bestes Stück behauptet, dass man die operettenhafte Liederlichkeit lüsterner Nobel-Greise geradezu für eine Erfindung dieses großen Autors halten könnte. Und sollten neben hormonellen doch auch inhaltliche Kriterien beim jährlichen Kanonisierungsritual eine Rolle gespielt haben, so war es vermutlich die Furcht der Selbsterkenntnis, die hinter der aufrechten Negation des ewigen PreisAspiranten stand.