Martin Roth war Direktor des Victoria and Albert Museum in London, bevor er nach Stuttgart ans Institut für Auslandsbeziehungen kam. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ifa-Präsident Martin Roth war als Kulturmanager im In- und Ausland erfolgreich. Nun ist der gebürtige Stuttgarter in Berlin gestorben.

Stuttgart - Am Sonntag sollte er noch im Deutschen Literaturmuseum in Marbach auf dem Podium sitzen. Martin Roths Terminkalender war voll, der ehemalige Direktor des Victoria & Albert Museum London war schließlich ein gefragter Mann. Erst vor wenigen Wochen trat Roth sein Amt als Präsident des Instituts für Auslandsbeziehungen Stuttgart an, aber man hätte sich vorstellen können, dass er schon bald wieder eines der großen Museen der Republik übernimmt.

Nun ist Martin Roth in der Nacht auf Sonntag in Berlin gestorben, er wurde nur 62 Jahre alt. Er wusste wohl schon eine Weile, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt – und machte doch weiterhin das, was seine Leidenschaft war: im Kulturbetrieb zu wirken. Hier diskutierte er über das umstrittene Kulturgutschutzgesetz, dort engagierte er sich für das Museum von morgen. Nebenbei kuratierte er den Pavillon von Aserbaidschan auf der Kunstbiennale von Venedig – auch wenn er Kritik erntete, für einen autoritären Staat zu arbeiten.

Nicht dem Diktat der Wissenschaft unterworfen

Was den Museumsmann auszeichnete, war die Tatsache, dass er kein Kunsthistoriker war. Er wurde 1955 in Stuttgart geboren und studierte in Tübingen Empirische Kulturwissenschaft. Seine Magisterarbeit beschäftige sich mit den kulturhistorischen Museen im Nationalsozialismus, seine Dissertation mit dem kulturhistorischen Museum an sich. Das war sein Rüstzeug für eine steile Karriere: 1991 wurde Roth Direktor des Deutschen Hygiene-Museums Dresden, 2001 Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden – bis 2011 der Ruf nach London kam und er mit seiner Familie die Koffer packte.

Anders als mancher Kollege wollte sich Martin Roth nicht nur dem Diktat der Wissenschaft unterordnen. Sein Ziel war, Museen zu einem attraktiven, lebendigen Ort zu machen. Statt allein Bildungsinteressen zu verfolgen, sollten die Ausstellungshäuser seiner Meinung nach Räume zur Verfügung stellen, in denen man sich wohlfühlt – selbst wenn man nur auf einen Kaffee vorbeikomme. Sein Konzept ging auf, das Victoria & Albert Museum London wurde unter seiner Leitung als „Museum des Jahres“ ausgezeichnet, zu den Ausstellungen zu David Bowie oder zum Designer Alexander McQueen kam das Publikum in Strömen. Die Schwelle niedrig und das Niveau hoch halten – das war Roths Devise.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland – Roth hatte als Grund für seine Kündigung in London den Brexit genannt –, erhoffte sich nicht nur das Institut für Auslandsbeziehungen neue Impulse von diesem aufgeschlossenen Museumsmann. Martin Roth konnte durchaus auch klare Worte sprechen. Er machte auch kein Hehl daraus, dass er die Strukturen in der deutschen Museumslandschaft und die Abhängigkeit von der Politik nicht für ideal hielt. Man verzieh ihm manch kritisches Wort, weil er auch ein freundlicher Zeitgenosse war, der angenehm und höchst witzig zu erzählen wusste – und das selbstverständlich auf Schwäbisch, das er sich bei aller Weltläufigkeit nie ganz abgewöhnt hatte.