Al Jarreau – hier 2012 bei einem Auftritt in Wien – gehörte zu den Größten seines Fachs. Foto: dpa

Sieben Grammy-Auszeichnungen und Fans in der ganzen Welt: Der große Jazz-Sänger Al Jarreau ist im Alter von 76 Jahren gestorben. Erst vor wenigen Tagen hat er seinen Rückzug verkündet.

Stuttgart - Man hatte schon befürchtet, dass vielleicht etwas Ernstes dahinterstecken könnte, als Al Jarreau am Mittwoch seinen Rückzug von der Bühne bekanntgab und alle geplanten Konzerte absagte. Er sei, ließ sein Management ausrichten, „dankbar für seine 50 Jahre, in denen er die Welt im Priestertum durch Musik bereist hat und für alle, die dies mit ihm teilten.“ Einer wie Al Jarreau, der sein Publikum liebte, unternimmt solch einen Schritt nicht ohne triftigen Grund, und nun ist Al Jarreau tatsächlich am Sonntag um sechs Uhr früh im Alter von 76 Jahren in einem Krankenhaus in Los Angeles gestorben, obwohl es noch am Donnerstag auf seinem Twitter-Account geheißen hatte, er erhole sich langsam, aber stetig. Zur Todesursache wurden keine Angaben gemacht.

Millionen Fans in aller Welt dürften nun sehr, sehr traurig sein – denn Al Jarreau war in jeder Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung, ein charismatischer Bühnenkünstler, der sich vor allem mit seiner Freundlichkeit und Spontaneität in die Herzen seines Publikums gesungen hat.

1940 wurde Al Jarreau in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin als fünftes von sechs Kindern geboren, sein Vater war Pfarrer, seine Mutter spielte Orgel in der Kirche, wo der vierjährige Alwyn Lopez, wie er mit vollem Namen hieß, seinen ersten Auftritt als Sänger hatte. Während seiner Schulzeit sang er in verschiedenen Bands, nach einem Psychologiestudium arbeitete er tagsüber als Sozialarbeiter in Kalifornien und tingelte abends mit einem Trio durch die Clubs, das von dem damals noch gänzlich unbekannten George Duke geleitet wurde.

Vom tiefsten Bass zum höchsten Flageolett

1968 kündigte er seinen Job, um sich ganz auf die Musik zu konzentrieren, wobei der Kontakt mit dem brasilianischen Gitarristen Julio Martinez entscheidend für seine weitere Entwicklung wurde. Nur von einer Gitarre begleitet, hatte Jarreau weitaus größere Freiheiten zur vokalen Entfaltung, und er nutzte diese, um seinen unverwechselbaren Gesangsstil zu entwickeln. Der war von Scatsängern wie Cab Calloway oder Ella Fitzgerald geprägt worden, doch den größten Einfluss, so bekannte Al Jarreau, habe dabei der Sänger Jon Hendricks auf ihn ausgeübt. Von dem habe er gelernt, schnelle, instrumental gedachte Melodien so zu singen, dass er zusätzlich auch die Bedeutung des Songs vermitteln konnte.

Die Fähigkeit, mit der Stimme Instrumente aller Art nachzuahmen, sollte Al Jarreau später auf einzigartige Weise perfektionieren. Man denke nur an die Congas, mit denen er seine Adaption von Brubecks „Take Five“ eröffnet, oder die Quasi-Flöte in der Intro von „Glow“ auf seinem gleichnamigen Album. Der Jazzkritiker Joachim Ernst Berendt hat diese Fähigkeit einmal so beschrieben: „Jarreau verfügt über ein Arsenal stimmlicher Möglichkeiten, das mit dem keines anderen männlichen Sängers vergleichbar ist.  Seine Kehle bringt wirklich ein ganzes Orchester hervor: Schlagzeuge und Saxophone, Trompeten und Flöten, Congas und Bässe – aber das alles aus dem Mund eines einzigen Mannes, vom tiefsten Bass zum höchsten Flageolett, als ob dieser Mann über ein Dutzend oder mehr verschiedener männlicher oder weiblicher Stimmen verfüge.“

Am besten war er live

1971 gründete Al Jarreau seine erste Rockgruppe, genannt „Jarreau“ und begann mit ersten Versuchen, eigene Songs zu schreiben, 1975 schließlich erhielt er seinen ersten Plattenvertrag bei Warner Brothers, „We Got By“ hieß seine erste Platte. Ein Jahr später dann trat er zum ersten Mal in Europa auf, bei den Jazzfestivals in Montreux und Berlin, seine darauf folgende Europatournee durch sechzehn Städte wurde ein triumphaler Erfolg und machte Al Jarreau mit einem Schlag zum Star. Das „Time Magazine“ nannte ihn einst den „größten lebenden Jazz-Sänger“.

In Al Jarreaus Aufnahmen bis heute – 2014 erschien sein letztes, George Duke gewidmetes Album „My Old Friend“ – spiegelt sich die Entwicklung der populären Musik von Jazz über Rhythm And Blues-Songs bis zu Pop, Funk und Bossa Nova. Doch so gut seine Platten auch sind – Al Jarreau bekam insgesamt sieben Grammys in drei verschiedenen Genres – am besten war er live, auf der Bühne. Hier konnte er auf das Publikum reagieren, das niemals den Eindruck hatte, dass da ein Musiker einfach sein Programm durchzieht. Stattdessen war da ein großartiger Sänger, der seine Freude am Musizieren teilt.