Vor Ort: Kloz-Geschäftsführer Dieter Schlatterer, Abgasexperte Martin Pley, Regierungspräsident Wolfgang Reimer, Innungs-Geschäftsführer Christian Reher. Foto: Patricia Sigerist

Beim Fellbacher Autohaus Kloz ist am Dienstag erstmals ein BMW mit einem verbesserten Abgassystem für Dieselfahrzeuge ausgestattet worden. Die Kosten für den Einbau – immerhin 3750 Euro – zahlt der Autobesitzer aus eigener Tasche.

Fellbach - Mit einem roten Filzstift zeichnet Netati-Emre Oguz auf dem Auspuffrohr die richtige Stelle an, dann kommt in der Werkstatt des Fellbacher Autohauses Kloz ein Trennschleifer zum Einsatz. Die Funken sprühen, das Fernsehteam vom ZDF hält mit seiner Kamera drauf. Noch ein wenig Arbeit mit der Feile, ein paar Schläge mit dem Hämmerchen, dann können Oguz und sein Kollege Eugen Henzel den Nachrüstsatz montieren. Auf der Hebebühne steht der erste BMW, der in der Region Stuttgart von der Euro-5-Norm auf Euro 6 gepimpt wird – und das ausgerechnet in einem Mercedes-Autohaus.

Den Effekt einer Hardware-Nachrüstung allerdings hat der Eingriff in die Steuerelektronik längst nicht

Seit Ende November sind erste Hardware-Nachrüstsysteme für Euro-5-Diesel erhältlich, neben dem Fellbacher Autohaus hat der Lieferant noch fünf weitere Mercedes-Werkstätten in der Region als Partner-betriebe. Zur Premiere für den Einbau ist am Dienstag nicht nur der Abgas-Experte Martin Pley aus Bamberg angereist, der mit seiner Firma SCR Technology die Nachrüstsätze für Mercedes, BMW und Volvo herstellt. Auch der grüne Stuttgarter Regierungspräsident Wolfgang Reimer ist in Fellbach vor Ort, um für einen technisch reduzierten Schadstoffausstoß zu werben.

„Uns bleibt jetzt noch ein gutes halbes Jahr Zeit, um in Stuttgart ein zonales Fahrverbot für Euro-5-Diesel zu verhindern“, hofft der Behördenchef auf eine schnelle Nachrüstung der Fahrzeugflotte. Die von Autoherstellern angebotenen Software-Updates können aus Sicht von Wolfgang Reimer zwar auch helfen, den Stickstoffdioxid-Werte aus dem Auspuffrohr zu senken.

Ab Januar gilt bekanntlich die streckenbezogene Sperrung von vier Stuttgarter Hauptverkehrsachsen für alle Dieselmotoren

Den Effekt einer Hardware-Nachrüstung allerdings hat der Eingriff in die Steuerelektronik längst nicht – vor allem nicht im Winter, wenn der Kaltstart zur Regel wird. Außerdem sind Euro-5-Diesel mit dem Software-Update nur für zwei Jahre von den Fahrverboten befreit, die in der Landeshauptstadt bereits zum Jahreswechsel in Kraft treten. Ab Januar gilt bekanntlich die streckenbezogene Sperrung von vier Stuttgarter Hauptverkehrsachsen für alle Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 sowie ein Tempolimit von 40 Stundenkilometern auf vielen Hauptstraßen. Vom Land finanziert sollen außerdem weitere Filtersäulen wie am Neckartor auch an anderen Stuttgarter Schadstoff-Schwerpunkten für bessere Luft sorgen. Das Problem: Zwar ist die Stickstoffdioxidbelastung am Neckartor gesunken, statt den 71 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft vom vergangenen Jahr hat die Messanlage in 2019 noch etwa 54 Mikrogramm registriert. Doch vom europaweit festgelegten Grenzwert von 40 Mikrogramm ist der Talkessel noch ein gutes Stück entfernt.

Ganz umsonst ist bessere Luft für die Autobesitzer allerdings nicht zu haben

Wegen der jahrelangen Überschreitung haben gleich mehrere Gerichte das Land Baden-Württemberg verdonnert, endlich wirksame Maßnahmen gegen die Schadstoffbelastung einzuleiten. Zwar äußert Wolfgang Reimer „berechtigte Hoffnung“, dass die Grenzwerte im Jahr 2020 eingehalten werden können. Doch stimmt im Frühjahr die Prognose nicht, kommt das Regierungspräsidium nicht um die fünfte Fortschreibung des Luftreinhalteplans herum. Sie sieht für Dieselmotoren unterhalb der Euro-6-Norm ein flächendeckendes Fahrverbot ab Juli vor, neben dem Stuttgarter Talkessel sind möglicherweise auch die Stadtbezirke Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen betroffen. Deshalb schreckt Reimer auch vorm Termin im Autohaus nicht zurück. „Gemeinsam kann bessere Luft in Stuttgart erreicht werden“, wirbt er für die Nachrüstung.

Anzeichnen, abflexen, einbauen: Der Nachrüstsatz für den BMW auf der Hebebühne. Foto: Patricia Sigerist

Ganz umsonst ist bessere Luft für die Autobesitzer allerdings nicht zu haben. Der Einbau des Nachrüstsystems schlägt mit immerhin 3750 Euro zu Buche. Für Mercedes-Fahrer übernimmt der Autobauer bei bestimmten Modellen die Rechnung. Der Kunde muss zwar in Vorleistung gehen, erhält aber nachträglich bis zu 3000 Euro erstattet. Auch der VW-Konzern – obschon mit einer anderen Variante für die technische Aufwertung arbeitend – pflegt eine ähnlich kulante Lösung, bei der unterm Strich ein vergleichsweise kleiner Eigenanteil bleibt.

Bei dem BMW, der am Dienstag in Fellbach auf der Hebebühne steht, sieht das Finanzmodell allerdings deutlich anders aus: Zu den Nachrüstkosten zahlt der Hersteller keinen Cent.

Mit der Finanzspritze könnten auch Fahrzeuge in den Fokus rücken, für die in der Branche bisher wenig Marktchancen gesehen wurden

„Leider hat man in München noch nicht verstanden, dass auch die eigenen Fahrzeuge schmutzig sind“, kommentiert der Nachrüstsatz-Erfinder Martin Pley die Zurückhaltung. Attraktiv ist sein System schon deshalb, weil die Abgastechnik nicht in die Motorsteuerung eingreift und deshalb keine Probleme mit der Gewährleistung und Herstellergarantie zu erwarten sind. Der Bamberger will jetzt ganz aktuell erfahren haben, dass Berlin insgesamt 46 Millionen Euro für die Weiterentwjcklung von Nachrüstsystemen ausschütten will. Mit der Finanzspritze könnten auch Fahrzeuge in den Fokus rücken, für die in der Branche bisher wenig Marktchancen gesehen wurden. „Jeder Autobesitzer sollte bei seinem Diesel die Möglichkeit haben, sich zwischen einer Nachrüstung und einem Neukauf zu entscheiden“, drückt es Christian Reher von der KFZ-Innung in der Region Stuttgart aus. Schließlich bringt das Geschäft mit den Nachrüstsätzen den Werkstätten auch Auslastung – allein beim Fellbacher Autohaus Kloz stehen laut Serviceleiter Eberhard Renz aktuell etwa 200 Autobesitzer auf der Warteliste für einen Nachrüstsatz. Die Werkstatt übrigens erhält nur den kleinsten Teil vom Kuchen – für die Montage gilt ein Fixpreis von 375 Euro. Mehr verdient Vater Staat: Auch nach dem Einbau eines Nachrüstsatzes gilt das Fahrzeug steuerlich auch weiterhin als Euro-5-Diesel.