Nachhilfe als Geschäft: Uli Kauffmann (links) und Ali Aydemir Foto: factum/Granville

Junge Unternehmer wollen mit ihrem Start-up eNerd durchstarten, das individuelle Nachhilfe per Video-Chat anbietet. Nicht nur sie glauben an ihre Idee.

Bietigheim-Bissingen - Das Geschäft mit der Nachhilfeboomt. In Zeiten von G8, steigendem Leistungsdruck an Schulen sowie Helikopter-Eltern lässt sich mit Unterstützung beim Lernen gut Geld verdienen. Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2016 zufolge geben Eltern in Deutschland jährlich 879 Millionen Euro für Nachhilfestunden ihrer Kinder aus. Große Verlage wie Langenscheidt und Klett haben das verstanden und bieten dementsprechende Produkte. Online-Nachhilfe, beispielsweise mit Lernvideos oder Lernspielen sind bislang aber noch nicht so gefragt, wie die Bertelsmann-Studie zeigt.

Vier junge Unternehmer wollen das nun ändern. eNerd heißt die Plattform für Nachhilfe übers Internet, der Sitz des Start-ups ist in Bietigheim-Bissingen. Die Idee kam den Männern beim Studium. Sie hatten Fragen zum Lernstoff, „und wir konnten dazu online nur Youtube-Videos oder Wikipedia-Einträge finden“, sagt Uli Kauffmann. Der Transfer zur eigenen Geschäftsidee war dann nicht mehr weit: Eine Webplattform, die individuelle Nachhilfe anbietet – von Studenten für Studenten. „Hier gibt es noch gar nichts auf dem Markt“, sagt Ali Aydemir. Die beiden Gründer haben sich während ihres MBA-Studiums kennengelernt und arbeiten nun seit drei Jahren an eNerd – alles neben dem Beruf. So ist der Ingenieur Kauffmann Assistent eines Centerleiters bei Daimler, und Aydemir arbeitet als Innovations-Manager beim Sparkassen-Verlag.

Von Klasse fünf bis zum Masterstudium

Doch die Plattform soll nicht nur Studenten eine Hilfestellung bieten, sondern auch Schülern – hier ist der Markt einfach größer. Die Pläne sind ehrgeizig: Von Klasse fünf bis hin zum Masterstudium sollen so viele Fächer wie möglich angeboten werden. Damit das bei einer Einzelbetreuung per Videochat auch gelingen kann, brauchen die beiden jede Menge Nachhilfelehrer, bei ihnen Coaches genannt.

Während der Testphase konnten sie 91 Coaches gewinnen. Deren Qualifikation wird von den Betreibern durch Zeugnisse abgefragt. Und die Nutzer können ihre Lehrer mit einem Fünf-Sterne-System bewerten und bei Gefallen häufiger Stunden bei ihnen buchen. Das klingt wie bei der Dating-Plattform Tinder – nur eben fürs Lernen: „Der Match zwischen Schüler und Lehrer soll optimal sein“, sagt Aydemir.

Der große Andrang wird für September erwartet

Wer viel Nachhilfe gibt, steigt im eNerd-System auf und kann mehr Geld verlangen. Derzeit können Nachhilfe-Einsteiger, plattformintern Rookies genannt, zwölf Euro pro Dreiviertelstunde verlangen. Bei höherem Level sollen dann bis zu 15 Euro möglich sein. eNerd behält davon 15 Prozent als Vermittlungsgebühr ein.

Laut Kauffmann und Aydemir bietet eNerd ein faireres Bezahlmodell als andere Online-Nachhilfen. „Wir rechnen minutenbasiert ab. Man zahlt also nur, was man wirklich auch in Anspruch nimmt“, sagt Aydemir. Bei anderen Online-Angeboten gebe es meist Abos, für die mindestens sechs Monate gezahlt werden müsse.

Die Plattform ist seit ein paar Wochen online, den großen Andrang erwarten die Gründer im September, wenn die Sommerferien vorbei sind. Bis dahin gilt es, Investoren von ihrer Idee zu überzeugen. Beim baden-württembergischen Wirtschaftsministerium hat es schon geklappt: Die Unternehmer bekamen einen Innovations-Gutschein. Und beim landesweiten Gründerwettbewerb des Ministeriums, dem Start-up Elevator Pitch, konnten Kauffmann, Aydemir und ihre beiden Mitgründer den Regionalentscheid in Stuttgart gewinnen. Das Landesfinale findet am 14. Juni statt.