Behörden und Betriebe müssen künftig die Kriterien des Umweltzeichens „Blauer Engel“ Foto: dpa

Der Preis ist wichtig, zählt aber nicht allein: Landesbehörden sollen mit gutem Beispiel vorangehen und beim Einkauf von Produkten und Leistungen künftig auch auf soziale und ökologische Kriterien achten.

Stuttgart - Die Landesregierung erwartet von ihren Behörden und Betrieben, dass sie bei der Beschaffung ökologische Aspekte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten berücksichtigen. Dies geht aus einer neuen Verwaltungsvorschrift hervor, die eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Stuttgarter Finanz- und Wirtschaftsministeriums erarbeitet hat.

Zwar setzt die Vorschrift, die seit 1. April in Kraft ist, die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht außer Kraft. Auch die Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und des Diskriminierungsverbots seien weiterhin zu beachten, heißt es. Ja, im Grunde sei die Entscheidung für gesunde, soziale oder fair gehandelte Produkte auch schon bisher möglich gewesen, sagt Ministeriumssprecherin Martina Schäfer. Die neue Vorschrift zeige nun aber klar und deutlich auf, „wie dies rechtssicher umgesetzt werden kann“.

So erwartet die Landesregierung nun explizit, dass beim Einkauf von Agrarprodukte wie Kaffee, Tee, Kakao, Zucker oder Textilien fair gehandelte Waren bevorzugt werden, wenn diese ansonsten mit der Konkurrenz gleichwertig sind. Das gilt auch für das Kriterium Umweltbelastung: Unter gleichwertigen Erzeugnissen müssten umweltfreundliche Produkte bevorzugt werden.

Auch Büromaterial soll nachhaltig sein. „Zur Deckung des Bedarfs an Papier, Versand- und Verpackungsmaterial aus Papier, Pappe und Karton sind grundsätzlich Recyclingprodukte zu beschaffen“, heißt es. Diese Vorgabe gilt als erfüllt, wenn das Umweltzeichen Blauer Engel oder gleichwertige Gütezeichen dafür vergeben wurde.

Kauft das Land Maschinen und andere Geräte, müssen diese dem neuesten Stand der Lärmschutz- und Abgastechnik entsprechen. Aber auch die Ästhetik eines Produkts, seine Qualität, ja sogar das soziale Engagement der Herstellerfirma können Kriterien für den Zuschlag sein, wenn eine Behörde bei einer Ausschreibung das wirtschaftlichste Angebot ermittelt. Großen Wert sollen diese auch auf die Lebensdauer von Produkten legen.

Dass dies unter Umständen auch mehr Geld kostet, räumt man im Ministerium ein: „Der Mehraufwand bei der Beschaffung selbst wird sicherlich steigen“, so die Sprecherin. Dafür sei aber nicht die Vorschrift verantwortlich, sondern letztlich der Wunsch vieler Beschaffungsstellen, verantwortungsbewusster einzukaufen.

Auch das Kriterium „gute Arbeit“ spielt bei Ausschreibungen eine tragende Rolle: Fehlende Tariftreue- oder Mindestentgelterklärungen zum Beispiel sind ein Ausschlusskriterium. Auch wer schon einmal gegen das Mindestlohngesetz verstoßen hat und dafür mit mindestens 2500 Euro Geldbuße bestraft wurde, disqualifiziert sich.

Insgesamt will die Landesregierung „sicherstellen, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht auf Kosten kommender Generationen verbraucht werden“, heißt es. Mit dieser Strategie ist sie keineswegs allein: Auch die Bundesregierung hat Nachhaltigkeit zum Leitprinzip des Regierungshandelns erklärt. Länder und Kommunen setzen ihre Schwerpunkte jedoch selbst.

Wirtschaftlich ist dies alles durchaus relevant, denn die Behörden und öffentlichen Betriebe haben eine gewaltige Marktmacht. Das Bundesinnenministerium beziffert das Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand auf rund 360 Milliarden Euro jährlich. Das sind etwa 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Um den Beamten Hilfestellung bei der nachhaltigen Beschaffung zu geben, hat das Bundesinnenministerium eigens eine Internetseite eingerichtet (www.nachhaltige-beschaffung.info). Hier findet sich zum Beispiel auch eine Berechnungshilfe zur Ermittlung der Lebenszykluskosten eines Produkts.

Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid sieht das Land in einer Vorreiterrolle: „Öffentliche Aufträge sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Deshalb ist es wichtig, dass die öffentlichen Stellen mit gutem Beispiel vorangehen und bei der Beschaffung sozial und ökologisch nachhaltig handeln.“