Noch nicht ganz fertig – aber bald: Hergen Blase in seinem neuen Ludwigsburger Pionier-Geschäft Foto: factum/Weise

Kein Plastik, kleine Portionen, wenig Müll: In Ludwigsburg öffnet der erste Unverpackt-Laden. Dort können die Kunden Lebensmittel selbst abfüllen. Eigentlich erstaunlich, dass das bekannte Konzept erst jetzt in der Stadt ankommt.

Ludwigsburg - In der Fantasie ist alles schon ganz konkret. Dort an der Wand werden die großen Glasdosen befestigt, und hinein kommen Nudeln, Reis und Kaffebohnen. Auch Nüsse, Erbsen und Linsen. In die Ecke da drüben kommt das Regal für Limo, Saft, Bier, und, und, und. Daneben der Kühlschrank für Milch, Quark, Butter. Plus die kleine Theke für Wurst und Käse. Nicht zu vergessen die eigene Abteilung für Brot und Snacks. Noch sind die Regale leer, die ist Kühltheke so wenig installiert wie der Kühlschrank. Auch von Erbsen, Säften und Reis – nichts zu sehen.

Shoppen für die Umwelt

Trotzdem wird der Laden, der in Hergen Blases Fantasie schon fertig ist, auch in Wirklichkeit bald fertig sein. Ende Februar eröffnet Blase in der Ludwigsburger Lindenstraße seinen Unverpackt-Laden. „Ohne Plapla“ heißt er. Der Name steht für Taten statt Worte und dafür, dass es dort kein Plastik geben wird. Die meisten der 500 Produkte können die Kunden selbst abfüllen in Dosen, Schachteln, Taschen, die sie von zuhause mitbringen. Was auch bedeutet, dass jeder nur so viel kaufen muss, wie er wirklich benötigt. „Das macht mich schon ein bisschen stolz“, sagt Hergen Blase, der mit seinem Laden den Menschen und der Umwelt etwas Guten tun möchte.

Bis vor neun Monaten hat Hergen Blase bei der Einzelhandelskette Kaufland gearbeitet. Dort war er verantwortlich für 18 Mitarbeiter und alles was mit Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zu tun hat. Dann hat der 49-Jährige, der Vater von zwei kleinen Kindern ist, entschieden, dass die Zeit reif ist für etwas Neues – seinen eigenen Laden.

500 Produkte auf 140 Quadratmetern

Der Wirtschaftsgeograf hat die Situation in seiner Heimatstadt analysiert und festgestellt: In einer Stadt, die einen Nachhaltigkeitspreis hat, in der Gastronomen Kaffee in wiederverwendbaren Bechern ausgeben, Einzelhändler gratis Flaschen mit Wasser auffüllen, eine Initiative Plastiktüten vom Wochenmarkt und aus Supermärkten verbannen möchte, mehrere Repaircafés ihre Dienste anbieten – in einer solchen Stadt muss es auch einen Laden geben, in dem kein Verpackungsmüll anfällt.

„Das Potenzial ist da“, sagt Hergen Blase, der mit Unterstützung des Innenstadtvereins Luis und der Wirtschaftsförderung den Platz für sein Geschäft in der Lindenstraße 2 gefunden hat. Etwa 100 Quadratmeter Verkaufsfläche im Erdgeschoss, weitere 40 im Untergeschoss. Dort wird es künftig alles geben, was zur Reinigung von Haushalt und Körper nötig ist. Dazu Flaschen und Dosen, falls der Kunde die eigenen vergessen – oder nicht genug – hat.

Ein bisschen Tante Emma

Eilig darf man es nicht haben, wenn man in einem Unverpackt-Laden einkauft. Man muss genau überlegen, was man braucht, um zu wissen, welche Gefäße man zum Einkaufen mitnehmen muss. Im Laden angekommen muss man alles wiegen. Erst das leere Gefäß, dann das gefüllte. Und dazwischen muss man womöglich warten, weil die Glasdose, aus der man zum Beispiel den Risottoreis abzapfen möchte, gerade besetzt ist. „So ein Einkauf ist komplexer“, sagt Hergen Blase.

Andererseits gehört das zum Konzept: Wer sich Gedanken darüber macht, wie die Welt ein bisschen besser werden kann, rast nicht durch die Regalgänge, um möglichst schnell irgendwas aus dem Laden zu karren. „Das Einkaufen soll ja auch Spaß machen“, sagt Hergen Blase, der seinen Laden mit einem entsprechenden Untertitel versehen hat: „splitternackt eingepackt“.

Der erste Unverpackt-Laden ist Anfang 2014 in Kiel eröffnet worden. Heute gibt es nach Angaben des Ideenportals Smarticular.net mehr als 180 solcher Geschäfte in Deutschland und angrenzender Umgebung. 15 – Ludwigsburg inklusive – haben ihre Heimat in Baden-Württemberg. Der erste Unverpackt-Laden in der Region, das Schüttgut, eröffnete 2016 in Stuttgart.

Ein Laden zum Lernen

Wie viel Verpackungsmüll durch die Geschäfte gespart wurde, ist nicht erfasst. Dass sie dringend nötig sind, zeigt die Statistik: Im Jahr 2016 produzierten die Bundesbürger 18,2 Millionen Tonnen Abfallmüll, 2009 lag das Aufkommen noch bei 15,1 Millionen Tonnen. Wegen der Zunahme zu denken, Unverpackt-Läden seien sinnlos, wäre allerdings ein Trugschluss. Noch bedienten die Geschäfte eine kleine Marktnische, erklärt das Umweltbundesamt. Es sei es durchaus denkbar, dass das Konzept künftig zu einer messbaren Abfallvermeidung beitragen wird. „Es ist klar festzustellen, dass das Umweltbewusstsein der Verbraucher und des Handels steigt und vermehrt Maßnahmen zur Verpackungsvermeidung bestritten werden“, erklärt Ines Oehme vom Umweltbundesamt.

In Hergen Blases „Ohne Plapla“ wird es auch eine kleine Kaffeeecke geben. In seiner Fantasie verwandelt sie sich dann und wann in eine Art Begegnungsstätte, wo sich die Besucher über Ernährungs-, Umwelt- und andere Nachhaltigkeitsthemen austauschen können. Und wenn es gut läuft, machen die Ludwigsbürger die Welt wirklich ein bisschen besser.