Holzkonstruktionen haben Vorteile – nicht zuletzt auch ökologische. Foto: A. Schambeck/photothek.net

Mehrere Jahre hat sich Weinstadt (Rems-Murr-Kreis) im Rahmen der Holzbauoffensive des Landes mit Fragen des nachhaltigen Bauens anhand von Praxisbeispielen beschäftigt. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.

Wie kann eine Kommune nachhaltiges Bauen mit Holz fördern? Mehr als drei Jahren Jahre hat Weinstadt daran gearbeitet, Antworten auf diese zentrale Frage im Rahmen der Holzbauoffensive des Landes zu finden – gemeinsam mit drei renommierten Holzbau-Experten: dem Architekten und Professor Peter Cheret, dem Bauphysiker Heiko Fischer vom Tübinger Büro ebök und Florian Knappe vom Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg.

 

Als eine von 18 Kommunen war die Stadt für das Förderprojekt ausgewählt worden. Jetzt liegen die Ergebnisse vor. Rund 100 Seiten stark ist die Broschüre, in der Weinstadt diese kommunalen Entscheidungsträgern, zukünftige Häuslesbauern und Bauträger gleichermaßen darlegt. „Das Ziel der Ausarbeitung war nicht noch eine theoretische Handreichung, die in komplizierter Sprache eine komplexe Materie bespricht und nur Fachkreisen weiterhilft“, erklärt dazu Dennis Folk, der Leiter des Stadtplanungsamts. Stattdessen wolle man damit alle Beteiligten und auch die Bürgerschaft mit ins Boot holen.

Dabei zielte das Förderprojekt vor allem auf die konzeptionelle und instrumentelle Ebene ab. Wichtige Frage hierbei, so Folk: „Wo stehen Entscheidungsträgern Handlungsfelder offen, um Holzbau zu integrieren?“ Dazu habe man mit bekannten Instrumenten von den großen Entwicklungsschritten bis ins kleine Detail durchdekliniert, wo nachhaltiges Bauen Einfluss haben könne – und das nicht nur theoretisch, sondern parallel auch anhand konkreter Beispielprojekte aus der Praxis. So habe man für das Wohngebiets Brückenstraße in Großheppach mit einem Konzeptvergabe Ideen für eine Neubebauung in Holz gesammelt, sich mit einer Konversion der neuapostolischen Kirche in Großheppach im Bestand beschäftigt und mit einer Bewertungsmatrix für nachhaltiges Bauen bei der Grundstücksvergabe im Baugebiet Furchgasse in Schnait.

Nachhaltiges Bauen beruht nicht nur auf Holz

Florian Knappes Part dabei war es, die Projekte aus ökologischer Sicht zu betrachten. „Nachhaltiges Bauen beruht dabei nicht nur auf Holz“, betont Knappe. Viel mehr gehöre auch der Bestandserhalt dazu, die graue Energie, die es gelte einem möglichst hohem Nutzen zuzuführen, um den Ressourceneinsatz gering zu halten. „Ein Rückbau ist nicht immer die Lösung.“

Das verdeutlicht in der Broschüre eine Gegenüberstellung dreier Szenarien für die Konversion der neuapostolischen Kirche in Großheppach: ein Umbau zum Wohngebäude im Bestand, Abriss und Neubau in Holz und als herkömmlicher Massivbau, mal mit und mal ohne Tiefgarage. „Das zeigt, dass ein Holzbau immer besser abschneidet“, erläutert Knappe. Zudem werde gezeigt, was ökologisch sinnvoll ist. Eine Tiefgarage etwa „schlägt unheimlich ins Kontor“. Ebenso habe der Stellplatzschlüssel und ein Mobilitätskonzept Einfluss.

Der Stuttgarter Professor Peter Cheret ist ein Experte für Holzbau Foto: Lichtgut/Max Kovalenko (Archiv)

Doch spielen noch weitere Aspekte bei der Konzeption hinein. „Was versteht man unter einem zukunftsfähigen Wohnbau?“, hat sich Peter Cheret gefragt. Der Ausgangspunkt seiner Planungen sei dabei die Tatsache gewesen, dass die Hälfte der Bevölkerung mittlerweile allein lebt. Für diese Menschen seien Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen zu groß und nicht bezahlbar. „Das heißt, wenn man eine Transformation der Kirche vornimmt, empfehlen sich eher kleine Wohneinheiten“, sagt der Professor.

Gemüsegarten oder gemeinsamer Grillplatz

Außerdem gelte es zu überlegen, was einen Mehrwert bringe. Das könne etwa ein Homeoffice-Raum sein, ein Gästezimmer, ein Gemeinschaftsraum im Gebäude oder Freianlagen, die nicht nur als Abstandsflächen dienen, sondern als Gemüsegarten oder zum gemeinsamen Grillen. Statt einer Tiefgarage könne als Parkgarage ein laubengangartiges Luftgeschoss gebaut werden, über das das Gebäude erschlossen werde. Dieses könne durch seine normale Lichtraumhöhe später bei einer Nachverdichtung auch anders genutzt werden.

„Das heißt, Nutzungsneutralität ist das Grundprinzip der Nachhaltigkeit“, erklärt Cheret. Darüber hinaus biete ein solcher „urbaner Stadtbaustein“ inmitten eines Einfamilienhausgebiets Anreize für ältere Generationen, innerhalb des gewohnten Umfelds in eine kleinere, komfortablere Wohneinheit umzuziehen und so das zu groß gewordene Eigenheim für Familien frei zu machen. Denn in Einfamilienhausgebieten gebe es derzeit eine „immense Unternutzung“.

Letztlich hätten Bauherren allerdings die freie Wahl, wie sie bauen wollen, merkt Heiko Fischer an. „Aber es gibt Mittel, wie man Holzbau forcieren kann.“ Die Aufgabe seines Ingenieurbüros sei es daher gewesen zu zeigen, wie groß der Fußabdruck beim Einsatz fossiler Baustoffe ist. „Was passiert bei einem Massivbau, was bei einem Mischbau und was, wenn man sogar darauf achtet auch keine mineralischen Dämmstoffe wie Glaswolle zu verwenden?“ All dies habe man mit CO2-Äquivalenten bewertet. So sei der Fußabdruck eines Holzbaus nur halb so groß wie bei einer mineralischen Bauweise. Einfluss hätten indes auch Eingriffe ins Erdreich. „Ohne den Massivbau schlecht machen zu wollen“, sagt der Bauphysiker, „ aber ein Untergeschoss verursacht mehr CO2 als der komplette Holzbau darüber.“