Sieht aus wie ein perfektes Rührei, ist aber vegan – mit einem Ersatzprodukt aus Ludwigsburg. Foto: The VGN

Ehemalige Lidl-Manager wollen die Lebensmittelbranche nachhaltiger machen – mit Fleischersatzprodukten. Aber gute Ideen sind nicht immer leicht umzusetzen. Zwei Spin-Offs der Universität Hohenheim scheiterten an der aktuellen Weltlage.

Das Rührei sieht aus wie ein perfektes Rührei: sonnengelb, cremig und luftig. Dabei besteht es hauptsächlich aus Ackerbohnen. Das Ludwigsburger Start-up The VGN will sein veganes, flüssiges Voll-Ei spätestens für die Weihnachtsbäckerei auf den Markt bringen. Vier frühere Lidl-Manager haben die Firma Anfang diesen Jahres gegründet, um „die Welt mit kleinen Schritten jeden Tag ein wenig besser zu machen“, erklärt der Geschäftsführer Jürgen Achenbach. Ihr Anspruch ist es allerdings auch, zu einer international führenden Marke in der Branche zu werden. Aber gute Ideen für nachhaltige Lebensmittel sind kein Selbstläufer, wie eigentlich erfolgreiche Spin-Offs von der Universität Hohenheim zeigen.

 

Die junge Firma hat noch nichts zu verkaufen

Jürgen Achenbach und seine Mitgründer bringen The VGN mit eigenem Kapital auf den Weg und haben sich dafür „aus der Komfortzone“ herausbewegt. Er wollte „mit 44 die Chance ergreifen, grundlegend etwas Neues zu machen“. Beim Discounter war er als Geschäftsführer fürs Marketing zuständig. Aktuell ist er vor allem damit beschäftigt, eine Social-Media-Brand aufzubauen, The VGN also auf Facebook, Instagram und Co. bekannt zu machen. Zu verkaufen hat die junge Firma nämlich noch nichts: Aufgrund der geopolitischen Lage gab es Lieferengpässe bei den Zutaten und der für diesen April vorgesehene Launch ihres veganen Voll-Eis in der gelben Flasche namens „The Original“ musste verschoben werden.

„Tolle Umsatz- und Wachstumspotenziale“ sieht Jürgen Achenbach in der Kategorie Fleischersatzprodukte. Im Kontakt mit den Konsumenten sollen Ideen für weitere Produkte gesammelt werden, die dann im Supermarkt gut ankommen. Als Flexitarier bezeichnet er sich und seine Zielgruppe und betont, dass der Ansatz von The VGN keinesfalls dogmatisch ist, sondern alle Konsumenten erreichen soll, „die Wert auf eine gute Ernährung legen – im Einklang mit Mensch, Tier und der Natur““. Bio-zertifiziert werden konnte „The Original“ zwar nicht, aber das Start-up soll langfristig ein klimapositives Unternehmen werden.

Influencer testen das Flüssigei

Für das vegane Ei haben Lebensmitteltechnologen im Labor die Rezeptur ausgetüftelt. Lange gab es dafür nur Pulverlösungen, mittlerweile gibt es auch Mitbewerber. „Es schmeckt unglaublich“, findet Jürgen Achenbach. Neben Rührei haben sie bei The VGN unter anderem Pfannkuchen und Karottenkuchen damit gebacken. Rund 100 Influencer durften das Ei ebenfalls schon testen. Das Feedback sei „bombastisch“ gewesen, berichtet der Firmenchef. Als nächstes könnte ein Käse oder ein Eis folgen, nennt er als Beispiele. Etwa sechs Monate werden benötigt, um ein neues Lebensmittel zu erschaffen. Ein „One-Shot-Wonder“ soll The VGN nicht werden.

Banabooms finden keinen Produzenten

Allerdings können gute Ideen aus vielen Gründen scheitern. Die Banabooms von Ines Kutzli und Inna Zhuravlova sind nicht weit gekommen, obwohl die Lebensmitteltechnologin und die Bioökonomin für die Erfindung einen Förder- und einen Innovationspreis bekamen. Sie entwickelte an der Universität Hohenheim gepuffte Cornflakes, die aus vor dem Müll geretteten Bananen hergestellt werden sollten. Ihr Müsli wäre nicht nur vegan, zucker- und glutenfrei gewesen, sondern hätte auch das Problem der Lebensmittelverschwendung angegangen. „Das Produkt kam sehr gut an“, sagt Ines Kutzli.

Das größte Problem der Banabooms war es, einen Produzenten zu finden. Denn für die Herstellung werden spezielle Maschinen gebraucht und eine intensive Reinigung ist nötig, weil trockene und nasse Zutaten vermischt werden. Und die Wissenschaftlerinnen hatten nicht die Mittel, eine eigene Produktion aufzubauen. „Die wenigsten Start-ups kommen an den Punkt, dass eine funktionierende Firma entsteht“, sagt Ines Kutzli. Am Ende hätten sie eingesehen, dass die Banabooms eine Sackgasse sind – und neue attraktive Aufgaben gefunden. Die 31-Jährige hat promoviert und forscht jetzt an der Technischen Hochschule in Zürich.

Cracker durch den Krieg zu teuer geworden

Von ihrem Better Cracker haben Lisa Berger, Pascal Moll und Sandra Ebert immerhin fast 20 000 Packungen in regionalen Supermärkten abgesetzt. Ihr Snack besteht unter anderem aus den Überbleibseln der Sonnenblumenölproduktion und ist tatsächlich gesund. Seit Juni sind die Lebensmitteltechnologen von der Universität Hohenheim allerdings ausverkauft – und können keinen Nachschub liefern, weil die Kosten für die Zutaten und die Energie durch den Ukraine-Krieg in die Höhe geschossen sind. Solche Schwankungen könnten Start-ups mangels Ressourcen nicht abfedern, erklärt Lisa Berger. Außerdem hätten ihnen für den Better Cracker noch Abnehmer gefehlt. Gerade die großen Ketten seien zu skeptisch gewesen.

Ihrer Anfang 2020 gegründeten Firma Zero Bullshit Food haben sie deshalb eine neue Richtung gegeben: Beratung für Food-Start-ups. „Die Nachfrage nach Ideen für nachhaltige, upgecycelte Produkte und vegane Alternativen ist sehr groß“, sagt Lisa Berger. Ihren Better Cracker haben sie aber noch nicht aufgegeben. Sollten die Zeiten besser werden, würden sie nachliefern. Ihre Idee aufzubauen, sei viel Arbeit gewesen. „Es ist schon unser Baby, und alle fanden es super.“