OB Fritz Kuhn definiert neun Handlungsfelder, um Schadstoffe und Staus zu verringern und die Lebensqualität in Stuttgart zu erhöhen. Foto: Leif Piechowski

Der Kampf gegen die Feinstaubbelastung und den Stau in der Stuttgarter Innenstadt wird zum wichtigsten Thema von OB Fritz Kuhn. Die Probleme will er nach eigenem Bekunden umfassend und langfristig angehen.

Stuttgart - Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat auf einer Pressekonferenz seinen lange erwarteten Aktionsplan „Nachhaltig mobil in Stuttgart“ vorgestellt. Das Papier listet auf acht Seiten neun Handlungsfelder auf, mit denen der Verkehr in der Stadt langfristig um 20 Prozent zurückgehen soll. Das ist Kuhns Zielmarke. Im Aktionsplan werden auch viele bereits bestehende Aktivitäten genannt.

„In Stuttgart ist Mobilität jetzt Chefsache“, sagte Kuhn im Rathaus. Bei diesem Thema werde er „zäh“ sein. Das darf als Kampfansage verstanden werden. Für den OB steht die Landeshauptstadt „vor einer Periode von zehn bis 15 Jahren massiver Investitionen in den öffentlichen Verkehr“. Er sehe dazu „keine Alternative“, sagte Kuhn, der seit sechs Monaten im Amt ist. Einen Zeitplan zur Umsetzung einzelner Ziele nennt der Verwaltungschef nicht. „Man kann Ziele kaputt machen, wenn man sie in Fünfjahrespläne zerlegt“, sagte er. Ziele des Aktionsplans seien weniger Schadstoffe, Lärm, Staus und Stress und damit „mehr Lebensqualität in Stuttgart“.

Konkrete Summen sucht man im Papier vergeblich. Die Vorschläge der Stadtverwaltung wolle er im Oktober bei der Einbringung des Doppelhaushalts zusammen mit Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) präsentieren. Er erwarte, dass weitere von den Gemeinderatsfraktionen kommen. Bekannt sind die Pläne für die Ausweitung der Parkausweiszonen (bisher im Westen) auf die Stadtteile Nord, Süd, Mitte, Ost und Teile von Bad Cannstatt, wofür elf Millionen Euro investiert werden sollen. Für die angestrebte Subventionierung des Firmentickets für alle städtischen Mitarbeiter (zwei VVS-Zonen für 20 Euro) wären bis zu sieben Millionen Euro nötig.

Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs

Wichtigste Stütze für eine Mobilität mit weniger krebserregendem Feinstaub und Stau ist für Kuhn der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Längere Züge, dichtere Takte, bessere Informationen, vereinfachter Ticketkauf und eine verbesserte Tarifstruktur im Verkehrsverbund (VVS) sind die Stichworte. Als VVS-Aufsichtsratsvorsitzender kennt Kuhn die Befindlichkeiten der Verbundgesellschafter. Umsetzen ließen sich die Vorschläge nur mit „mehr Mitteln“, sagt Kuhn, weshalb die beschlossene VVS-Tariferhöhung von 2,8 Prozent für 2014 gerechtfertigt sei.

Um den Berufsverkehr auf die Schiene zu lenken, will Kuhn im Herbst einen Mobilitätskongress mit innerstädtischen Arbeitgebern im Rathaus veranstalten. Der OB hat vorgefühlt und erkennt bei den Firmen eine „große Bereitschaft“, sich des Themas anzunehmen. Von den 472.000 Beschäftigten in der Stadt wohnten 55 Prozent außerhalb, 60 Prozent davon, also rund 156.000, pendelten mit dem Auto meist allein zur Arbeit. Das Umsteiger-Potenzial ist also gewaltig. Mit ihrem neuen Zuschuss zum Firmenticket will die Stadt ein Beispiel geben. Ausgebaut werden soll in der Verwaltung außerdem die Nutzung des Fahrrads, geprüft werden die Nutzung von Carsharing. Im Gegenzug soll das Parken auf städtischen Stellplätzen verteuert werden. Im Radverkehr, der nur sieben Prozent des Gesamtverkehrs ausmacht, in anderen Städten aber 15 Prozent erreicht, sieht Kuhn ebenfalls Potenzial. Um mehr Radwege planen und bauen zu können, brauche die Stadt Personal.

Kuhn will Bedingungen für Carsharing in Stuttgart verbessern

Angebote wie Car2go mit Elektro-Smart (Daimler) will Kuhn fördern. „Die Stunde ist günstig für diese neuen Verkehrssysteme“, sagt er. Konkurrierende Anbieter wie Flinkster (Bahn) oder der Verein Stadtmobil seien genauso erwünscht. „Ich werde dafür sorgen, dass sich die Bedingungen für das Carsharing in der Stadt verbessern“, verspricht Kuhn. Die Anbieter sollten Unterstützung erhalten – zum Beispiel bei den Stellplätzen, da jedes Mietauto sechs bis sieben Privatfahrzeuge ersetze.

Er setze grundsätzlich auf Zusammenarbeit mit Firmen wie zum Beispiel Daimler, Porsche oder Bosch. Die Stadt wolle „Mobilitätskonzepte mit ihnen machen“. Zusammenarbeit sei auch in der Region gefragt, weil die Probleme dort ähnlich seien oder es Abstimmungsbedarf zum Beispiel bei der Verkehrssteuerung, dem Radwege- und Parkplatzbau (Park and ride) oder regionalen Verleihsystemen gebe.

Die Aussage, die Integrierte Verkehrsleitzentrale weiter auszubauen, brachte Kuhn Lob vom ADAC Württemberg ein. „Wir bewerten das langfristige und verkehrsträgerübergreifende Konzept positiv“, sagte ADAC-Vorsitzender Dieter Roßkopf. Zur Umsetzung hat Kuhn im Rathaus einen Lenkungskreis mit vier Bürgermeistern und Wolfgang Arnold, dem Technikvorstand der Stuttgarter Straßenbahnen, gebildet.