Nicht erst seit Köln und dem umstrittenen Hinweis der Oberbürgermeisterin Henriette Reker („Eine Armlänge Abstand“) verkaufen die Waffengeschäfte in der Region immer mehr Pfeffersprays. Foto: dpa

In Stuttgart und Umgebung gibt es einen regelrechten Run auf den kleinen Waffenschein. Vielerorts wurden allein im Januar doppelt so viele Anträge für eine Schreckschusspistole gestellt wie im gesamten Jahr 2015.

Region Stuttgart - Ein Dutzend schwarzer Dosen stapelt sich im Schaufenster eines Ludwigsburger Waffengeschäfts. Darunter sind kleine, handliche Behälter für die Handtasche, aber auch größere Kaliber, die wohl nicht ganz so leicht zu transportieren sind. Mit greller Schrift preist der Hersteller an, wie wirksam seine Pfeffersprays seien, vor allem gegen aggressive und bissige Hunde. Wenige Zentimeter daneben liegen Schreckschusspistolen, die zumindest für den Laien scharfen Waffen gleichen.

Dass die Kunden des Ludwigsburger Waffenhändlers dieser Tage noch eine derart große Auswahl haben, verwundert aber eher. Denn bundesweit hat ein Run auf Pfeffersprays und Schreckschusswaffen begonnen – auch in der Region Stuttgart. Beim Landratsamt Ludwigsburg wurden allein im Januar 148 kleine Waffenscheine beantragt, und damit beinahe doppelt so viele wie im gesamten Vorjahr. Das Ordnungsamt der Stadt Stuttgart verzeichne seit Anfang dieses Jahres ebenfalls einen sprunghaften Anstieg der Anträge, sagt die Sprecherin Jana Braun. Wollten im vergangenen Jahr 221 Personen einen kleinen Waffenschein, waren es im ersten Monat des neuen Jahrs schon 266.

Zurzeit würden die Mitarbeiter des Amtes rund 20 Anträge pro Tag bearbeiten, sagt Jana Braun. Das seien so viele, dass manch andere Aufgabe im Ordnungsamt liegen bleibe.

Vor allem nach den Vorfällen in der Silversternacht in Köln und anderen deutschen Großstädten ist im ganzen Land die Nachfrage nach Waffenpässen in die Höhe geschnellt. Auch die Anbieter von Selbstverteidigungskursen konnten sich mancherorts vor Anmeldungen kaum noch retten. Doch auch jetzt, bald fünf Wochen nach den Vorfällen, gehen die Zahlen nicht zurück. „Ein Rückgang ist nicht spürbar“, sagte Jana Braun. „Wir hoffen aber, dass die Nachfrage zurückgeht.“

Rund doppelt so viele Anträge wie im ganzen Jahr 2015

Die kleinen Waffenscheine erlauben, Schreckschuss- Reizstoff- und Signalwaffen „zu führen“, also auch außerhalb der eigenen vier Wände bei sich zu haben. Zum Abfeuern der Waffen berechtigen sie aber nur in Notlagen und in Notwehr, nicht jedoch bei öffentlichen Veranstaltungen wie zum Beispiel im Fußballstadion. Auch an Silvester ist das Schießen verboten. Die Behörden stellen das Papier an Personen über 18 aus, sofern keine schweren Vorstrafen vorliegen und sie nicht alkoholabhängig oder psychisch krank sind. Die Ablehnungsquote der Anträge ist daher gering.

Das Bedürfnis nach Verteidigungsmitteln scheint groß zu sein, egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Denn nicht nur in Stuttgart, auch in den umliegenden Landkreisen steigt die Zahl der kleinen Waffenscheine. Im Landratsamt Waiblingen gingen im Januar 59 Anträge ein, 18 mehr als in den vergangenen zwölf Monaten an Lizenzen ausgegeben wurde. Auch Peter Keck, der Sprecher des Esslinger Landrats, sagt: „Sehr viele Einwohner fragen das im Moment nach.“ Konkret wurden bei seiner Behörde im Januar 92 Scheine beantragt – doppelt so viele wie 2015. Doch Keck sieht noch keine umfassende Aufrüstung: Sein Landkreis habe schließlich mehr als eine halbe Million Einwohner.

Ein Trend setzt sich fort

Mit der aktuellen Entwicklung setzt sich ein Trend fort, der seit einiger Zeit anhält. Denn schon seit mehreren Jahren rüsten die Baden-Württemberger auf: Waren im Jahr 2014 noch rund 40 000 kleine Waffenerlaubnisse landesweit registriert, hatten im vergangenen Jahr schon rund 43 000 Bürger die Lizenz für Schreckschusswaffen. In Stuttgart wurden vor zwei Jahren ganze 68 Scheine ausgestellt – weniger als ein Viertel der Anträge, die nun im Januar 2016 eingegangen sind.

Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) warnt in einer Broschüre davor, solche Waffen bei sich zu tragen: „Waffen und Gegenstände, die eigentlich zur Selbstverteidigung mitgeführt werden, haben oftmals zur Folge, dass diese gegen das Opfer selbst eingesetzt werden“, schreibt das LKA.