So gut bestückt sind nicht alle Verleihstationen von Regio-Rad. Der Anbieter kämpft mit Vandalismusschäden, zudem fehlt Personal. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Erst sind die Nutzerzahlen wegen der Coronapandemie eingebrochen, nun sind zu wenige Räder am Start. Was ist das Problem?

Regio-Rad Stuttgart will sein Verleihsystem für konventionelle Räder, Pedelecs und Lastenfahrräder bis Mai 2023 um weitere 40 auf dann knapp 300 Stationen ausbauen. Der Anbieter der in auffälligem Blau gehaltenen Gefährte (bisher insgesamt 1700) registriert allerdings in den Coronajahren eine stark zurückgehende Nutzung. Dazu kommen verschärft Probleme mit Vandalismus und aktuell erhebliche Personallücken sowie Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Ersatz- und Verschleißteilen. Das Angebot an manchen Stationen ist daher sehr ausgedünnt.

Nur 40 Prozent der Stellen besetzt

Betrieben wird das System von der DB-Tochter Deutsche Bahn Connect GmbH. Die hat erhebliche Probleme, Mitarbeitende für ihre Radwerkstatt zu gewinnen. Aktuell seien dort nur 40 Prozent der Stellen besetzt, so Ralf Maier-Geißer, der Gesamtkoordinator von Regio-Rad, vor dem Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart (VRS). Anfang September seien in der Werkstatt vier neue Leute eingestellt worden, die Motivation von dreien reichte aber offenbar nicht weit. „Einer kam gar nicht, einer alkoholisiert, einer warf Werkzeug nach dem Meister, einer arbeitet zur vollsten Zufriedenheit“, so der Koordinator.

Dazu komme, dass man selbst auf einen Mantel oder Fahrradschlauch, also eigentlich Selbstverständlichkeiten, Monate warte. „Leidtragende sind die Kunden und die Kommunen, die Regio-Rad finanzieren“, so Maier-Geißer. DB Connect entschädige die Kommunen zwar, „wir wollen aber keine Entschädigung, sondern funktionierende Räder an den Stationen“, so der Koordinator zum nicht mehr verlässlichen Service.

Einbruch bei Ausleihzahlen

Die Ausleihzahlen gingen trotz des Stationsausbaus 2021 auf 91 200 zurück. Das waren 30 Prozent weniger als 2020 und 49 Prozent weniger als 2019. Im ersten Halbjahr 2022 gab es 40 140 Fahrten, das waren rund zwei Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2021. Das jetzige System läuft bis Ende 2026, zur Fortsetzung soll es eine interkommunale Ausschreibung geben.

Angesichts der Entwicklung stellte Bernhard Maier von den Freien Wählern im Ausschuss allerdings die Existenzfrage. In der Region sehe er volle Radstationen, die wohl wenig genutzt würden. Regio-Rad sei „nicht der Knaller“ und kein Angebot, dass man unbedingt brauche, ein signifikanter Beitrag zur Verkehrswende sei auch nicht zu erkennen. Maier forderte Daten, mit denen Aufwand und Ertrag gegenübergestellt würden.

Auch die AfD will, dass „mehr auf die Kosten geschaut wird“, so Holger Dorn. Armin Serwani hat sie für Stuttgart genau berechnet. Jede der 74 000 Fahrten im Stadtgebiet 2021 müsse mit umgerechnet 12,16 Euro bezuschusst werden, so der FDP-Regionalrat. Er vermutet eine Art ruinöse Konkurrenz durch E-Scooter, die anders als die Räder nicht an Stationen abgestellt werden müssen. Für 12,16 Euro könne man „gleich ein Taxi nehmen“, so Maier.

Debatte über Zuschuss

Die Scooter seien im Vergleich sehr teuer, so Michael Knödler (Linke/Pirat), Regio-Rad dagegen preislich eigentlich unschlagbar (ein einfaches Rad kostet je nach Tarif vier bis zehn Cent pro Minute und maximal sieben bis neun Euro am Tag). Die Fraktion Linke/Pirat fordert in einem Haushaltsantrag, dass ein Abo des Verkehrsverbunds (VVS) die kostenlose Radnutzung künftig automatisch einschließt. Philipp Buchholz (Grüne) empfiehlt, die auch aus seiner Sicht attraktiven Konditionen stärker zu bewerben.

Auf die Kostenfrage reagierte Maier-Geißer deutlich verschnupft. Er frage auch nicht, was die S-Bahn für den einzelnen Fahrgast an Zuschuss koste, aber natürlich werde er Zahlen liefern – beim nächsten Jahresbericht. Junge Scooter-Fahrer seien „nicht preissensibel“, so der Experte. Ziel sei, mit Werbemaßnahmen neue Kunden zu gewinnen und die bestehenden trotz Corona und Homeoffice aufs Rad zu bringen.