Als Literatur-Netzwerkerin erfahren und erfolgreich: Stefanie Stegmann. Foto: ©Klaus Polkowski

Florian Höllerer schätzt ihre „ erfinderische Programmarbeit“ und ist überzeugt davon, „dass das Stuttgarter Haus bei ihr in den besten Händen sein wird“. Die Rede ist von Stefanie Stegmann, die bisher das Literaturbüro Freiburg geleitet hat und im Januar Höllerers Nachfolgerin im Literaturhaus Stuttgart wird.

Florian Höllerer schätzt ihre „ erfinderische Programmarbeit“ und ist überzeugt davon, „dass das Stuttgarter Haus bei ihr in den besten Händen sein wird“. Die Rede ist von Stefanie Stegmann, die bisher das Literaturbüro Freiburg geleitet hat und im Januar Höllerers Nachfolgerin im Literaturhaus Stuttgart wird.

Frau Stegmann, ich gehe davon aus, dass in Freiburg nicht alle ganz glücklich darüber sind, dass Sie nach Stuttgart wechseln.
Ich habe heute Morgen meinen Mann gefragt, ob heute und morgen wohl eine Welle der Empörung über mich hereinbrechen wird. Aber die ist bisher ausgeblieben, die Glückwünsche waren in der Überzahl.
Man könnte Ihnen vorwerfen, dass Sie als Leiterin des Literaturbüros in Freiburg zwar ein Konzept für ein Literaturhaus erarbeitet haben. Jetzt aber, wenn der Traum von einem Literaturhaus in Freiburg wahr werden soll, verschwinden Sie einfach Richtung Stuttgart.
Die meisten Freunde, Partner und Kollegen haben bisher doch großes Verständnis geäußert. Natürlich ist es eine heikle Situation, weil ich den Prozess in den letzten Jahren maßgeblich mitgestaltet und das Konzept für ein Literaturhaus geschrieben habe. Wir haben das Projekt hier zusammen mit dem Vorstand, dem Förderkreis, dem Kulturamt und der Universität Freiburg auf die Gleise gehoben. Doch das Literaturhaus ist inzwischen so gut eingespurt, dass es nicht mehr infrage gestellt wird – auch nicht durch meinen Weggang. Der Gemeinderatsbeschluss liegt vor, ein hervorragender Ort ist gefunden, die Weichen sind gestellt.
2015 soll das Haus eröffnet werden.
Ja, so sieht der derzeitige Planungsstand es vor. Für mich ist es dabei nicht zwingend, selbst bei der Eröffnung das rote Band zu durchschneiden. Das darf dann beherzt meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger tun. Ich freue mich einfach riesig, dass Freiburg in absehbarer Zeit ein Literaturhaus bekommt.
Das heißt, es fällt Ihnen gar nicht schwer, in Freiburg loszulassen?
Es ist mir natürlich nicht leichtgefallen, und ich habe lange überlegt, ob ich mich um die Leitung des Literaturhauses in Stuttgart bewerbe. Aber Stuttgart bietet mir eine attraktive Chance beruflicher Weiterentwicklung; das Literaturhaus Stuttgart ist bestens aufgestellt, macht ein tolles Programm und ist super vernetzt – das kann ich nur als eines beschreiben: reizvoll! Ich lebe und arbeite nun seit acht Jahren in Freiburg – und bin hier wirklich sehr glücklich. Ich kann hier auch noch weiter sehr glücklich viele Jahre arbeiten und hätte das Projekt Literaturhaus auch gerne noch zu Ende geführt. Aber im Literaturbetrieb ergeben sich die Stellen nun mal nicht immer nach meinen persönlichen Bedürfnissen.
Nachdem es bisher um die Konzeption ging, hätten Sie jetzt endlich mit der inhaltlichen Planung beginnen können.
Das stimmt. Aber den Literaturhausgründungsprozess habe ich bisher schon als extrem spannend wahrgenommen. Ich habe dabei gelernt, mit politischen Akteuren zu kommunizieren, mit dem Land, mit Autoren, den Publika, einfach mit ganz unterschiedlichen Interessengruppen. Und idealerweise muss ich sie alle auch überzeugen.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie beim Literaturhaus Freiburg vor allem Eigenständigkeit und Sichtbarkeit wichtig fänden.
Ja, das war eine Aussage speziell auf den Ort hier bezogen. In Freiburg sind wir zurzeit mit dem Literaturbüro im gleichen Gebäude wie das Kommunale Kino untergebracht. Wir sind der kleine Partner im Haus. Wenn wir große Veranstaltungen machen, die uns zu mehr Sichtbarkeit verhelfen würden, werden wir häufig nicht mehr als Veranstalter wahrgenommen, weil wir externe Räume anmieten müssen. Unter diesen Bedingungen ist es nicht immer leicht, eine Marke, eine Identität zu entwickeln. Dieser Punkt ist für ein Literaturhaus wesentlich; daher sind die neuen Räume für das Literaturhaus auch ausreichend groß bemessen und liegen in Topinnenstadtlage.
Für eine Veranstaltungsreihe haben Sie sich sogar an einzelnen Abenden in Studenten-WGs eingemietet.
Diese Reihe namens „zwischen/miete“ ist tatsächlich ein Herzstück unseres Programms. Und obwohl ich derzeit noch nichts Konkretes zu dem zukünftigen Programm in Stuttgart sagen möchte, würde ich gerne versuchen, dieses Format auch in Stuttgart zu erproben.
Wie sieht das Konzept der Reihe aus?
Die Reihe „zwischen/miete“ ist eine Kooperation mit dem Studentenwerk. Wir laden junge Autoren in studentische 3er- oder 4er-WGs ein, die für einen Tag ihre Tür öffnen, um Literatur bei sich unterzubringen. Und da kommen jedes Mal zwischen 50 und 150 Studenten, quetschen sich auf kleine Sitzkissen und lauschen konzentriert einer im Grunde klassischen Wasserglas-Lesung. Diese Reihe wird auch von Studierenden betreut und kuratiert und hat sich hier in Freiburg mittlerweile schon zu einem Label entwickelt. Alle Erstsemester, die hier anfangen zu studieren, stolpern irgendwann in unsere „zwischen/miete“.
Literaturvermittlung und -förderung auch für ein junges Publikum scheint für Sie einer der wichtigen Eckpfeiler eines Literaturhauses Freiburg zu sein?
Diesen Bereich bauen wir hier seit einem Jahr aus. Wir haben zwei neue Formate installiert. Zum einen die „Schreibcouch 14+“, ein erstes Stipendiennetz, das wir versuchen zwischen 14- bis 18-jährigen Schülerinnen zu knüpfen. Neun bis zehn Stipendiaten werden ein Jahr lang von professionellen jungen Autoren gecoacht. Zudem haben wir eine Reihe für Kinder ab drei Jahren namens „Taschenparadies“ ins Leben gerufen, da drehen wir den Spieß um und bieten eine Vorlesereihe für kleine Kinder mit Elternbetreuung an. Freiburger Bürger lesen in einem wandernden Lesezelt den Kindern aus ihren Lieblingskinderbuchklassikern vor, und die Eltern entspannen nebenan im Café bei Croissant und Cappuccino – im Eintrittspreis enthalten.
Wie gut kennen Sie eigentlich das Literaturhaus Stuttgart?
Ich kenne das Haus vor allem als Veranstalter. Ich kooperiere seit 2006 mit Florian Höllerer im Rahmen unserer größeren, meist internationalen Literaturprojekte. Auch unter dem Dach des baden-württembergischen Literatursommers waren wir mehrmals im Literaturhaus Stuttgart zu Gast. Ich kenne das Haus also weniger als Zuhörerin im Publikum, dafür ist der Weg dann doch häufig zu weit, denn als Kooperationspartner.
Mit dem Literaturhaus Stuttgart haben Sie aber schon in Ihrer Zeit als Lektorin an der Universität Czernowitz in der Ukraine zu tun gehabt.
Ja, dort war ich vermittelt über den Deutschen Akademischen Austauschdienst von 2003 und 2005 und habe zusammen mit einer Kollegin eine Schreibwerkstatt für Jugendliche und junge Erwachsene aus der Ukraine gegründet, in der sie die Möglichkeit hatten, sich auf Deutsch, für sie also in Fremdsprache, kreativ zu äußern. Die Werkstatt kooperierte mit dem Jugendwerkstättenbereich des Literaturhauses Stuttgart und der Robert-Bosch-Stiftung.
Viele spannende Literatur kommt derzeit aus Osteuropa.
Ja, wahrscheinlich auch bedingt durch meine Zeit in der Ukraine gibt es eine grundsätzliche Affinität oder Sensibilität für Literaturen des mittelosteuropäischen Raumes . In Gesellschaften, in denen existenzielle Umbrüche stattgefunden haben und stattfinden, in denen Systeme zusammengebrochen sind, infrage gestellt werden, entwickeln sich oft enorme künstlerische, literarische Kräfte und Dynamiken. Und diese sensibel wahrzunehmen, aufzugreifen, zu vermitteln ist sehr attraktiv.