Christoph Hauser, noch Programmdirektor bei Arte, wechselt zum SWR. Foto: dpa

Der Intendant bestreitet Einflussnahme der Politik auf Sender – Aufsichtsgremien nennen Reformvorstellungen

Stuttgart - Die Vorentscheidung ist gefallen: Christoph Hauser, noch Programmchef bei Arte, wird neuer SWR-Fernsehdirektor. Aber die Diskussion um die Reform des Senders gehen weiter.

Normalerweise tagen die Aufsichtsgremien des Südwestrundfunks (SWR) öffentlich – das aus gutem Grund, immerhin wachen Rundfunk- und Verwaltungsrat des öffentlich-rechtlichen Senders über die Verwendung von Gebührengeldern. In Zeiten wie diesen, da beide Landesregierungen aus Grünen und SPD in Stuttgart und Mainz an einem neuen Staatsvertrag für die Zwei-Länder-Anstalt basteln, wird schon mal eine Ausnahme gemacht. Deshalb traf man sich jetzt zu einer internen Sondersitzung.

Es ging darum zu beraten, wo die starren Strukturen des Senders gelockert werden müssen, wo es aber auch darum geht, sich gegen allzu viel Einfluss durch die Politik zu wehren. „Es war eine weitgehend harmonische Veranstaltung“, berichten Teilnehmer. Die Aufsichtsgremien des zweitgrößten ARD-Senders berieten und verabschiedeten ein Positionspapier, das unserer Zeitung vorliegt. Es geht nun als eine Art Wunschzettel an die beiden Landesregierungen. Sie wollen noch vor der Sommerpause den Entwurf für den neuen Staatsvertrag vorlegen.

Der Sender leidet unter seinen verkrusteten Strukturen

Um was geht es genau? Der Sender leidet unter seinen verkrusteten Strukturen. In dem Papier ist deshalb festgeschrieben, dass die haarkleine Aufteilung der Zuständigkeiten des SWR zwischen den drei großen Standorten Stuttgart, Baden-Baden und Mainz, wie man sie bei der Fusion von SDR und SWF im Jahr 1998 festgeschrieben hatte, aufgegeben werden sollte. Die Organisation in dem 3600 Mitarbeiter großen Sender müsse „flexibler“ werden, Aufgaben müssten „standortbezogen zugewiesen“ werden. Vor allem Baden-Baden dürfte davon betroffen sein. „Die generelle Zuweisung gemeinsamer und überregionaler Aufgaben“ dorthin soll entfallen.

Mehr noch. Die Aufsichtsgremien halten es für zwingend, dass künftig „die ausdrückliche Möglichkeit geschaffen wird, einzelne Verwaltungs-, Produktions- und Programmeinrichtungen sowie redaktionelle Schwerpunktbildungen an den drei Hauptstandorten zu bilden“. Dabei seien „die Kriterien der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Programmverträglichkeit anzulegen“.

Strittige Fragen aus dem neuen Staatsvertrag wurden in der Sondersitzung zunächst ausgeklammert

Solche Formulierungen kommen nicht von ungefähr. Jahrelang konnte sich der SWR auf satte Gebühreneinnahmen verlassen. Zuletzt aber hatte Intendant Boudgoust wiederholt betont, man müsse die Strukturen modernisieren, das Programm auffrischen und dreistellige Millionenbeträge einsparen. So notwendig der Reformbedarf also ist, so sehr scheint das verabschiedete Papier nur ein Anfang. Denn strittige Fragen aus dem neuen Staatsvertrag wurden in der Sondersitzung zunächst ausgeklammert. So planen beide Landesregierungen die Neuerung, dass Führungspositionen künftig nicht mehr im Rundfunkrat, sondern im Verwaltungsrat entschieden werden. Nur, in diesem Gremium sind beide Regierungen, ist also die Politik besonders stark vertreten. Die Sorge im Sender, aber auch in den Gremien vor politischem Einfluss wächst also.

Boudgoust wehrt sich gegen diese Tendenzen. Er lasse sich von keinem unter Druck setzen, versprach er nach Angaben mehrerer Sitzungsteilnehmer und erhielt dafür Applaus. Dass die Realität anders aussehen kann, hatte der Intendant freilich in den vergangenen Tagen erfahren müssen. Da erteilten ihm Vertreter von Grünen und SPD die klare Botschaft, dass sie sein geplantes Personalpaket für die nahe Zukunft nicht mittragen werden. Die Absage galt bekanntlich vor allem dem noch amtierenden Fernsehdirektor Bernhard Nellessen, den mancher für den schlechten Stellenwert des SWR-Fernsehprogramms verantwortlich macht.

Hauser wäre Ende des Jahres ohnehin zum SWR zurückgekehrt

Nellessen hatte daraufhin am vergangenen Wochenende angekündigt, für eine Vertragsverlängerung ab April 2013 nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Ob Boudgoust den Entschluss ahnte, ist unklar. „Es ist danach sehr viel telefoniert worden“, heißt es aus seinem Umfeld. Offenbar mit Erfolg. Boudgoust nutzte die Sondersitzung der Aufsichtsgremien, um sein überarbeitetes Personalpaket vorzulegen. Jan Büttner, bisher Leiter der Intendanz und enger Vertrauter des Intendanten, wird neuer Verwaltungschef. Gerold Hug, noch Chef der Popwelle SWR 3, steigt zum Hörfunkdirektor auf. Herrmann Eicher bleibt Justiziar. Und Christoph Hauser, noch Programmdirektor bei Arte, soll nun Fernsehdirektor werden.

Hauser wäre Ende des Jahres ohnehin zum SWR zurückgekehrt und genießt über alle Parteigrenzen hinweg einen guten Ruf. Dass der 55-Jährige zuletzt bei zwei Wahlen den Kürzeren zog – erst wollte er Intendant des Deutschlandradios werden, musste aber Willi Steul den Vorzug lassen, dann bemühte er sich vergeblich, Intendant des Saarländischen Rundfunks zu werden und verlor die Wahl gegen Thomas Kleist im siebten Wahlgang –, spielt offenbar keine Rolle. Hauser wird zugetraut, dem SWR-Fernsehen „frischen Wind“ zu verleihen, wie es ein leitender Mitarbeiter umschreibt. Der Intendant jedenfalls ist zuversichtlich, mit diesem Personaltableau nun durchzukommen. Er will sein Vier-Köpfe-Tableau am 29. Juni in den Aufsichtsgremien zur Wahl stellen.