Viele Tory-Anhänger wünschen sich, dass der Ex-Premier Boris Johnson zurückkehrt. Foto: dpa/Frank Augstein

Großbritanniens konservative Abgeordnete wollen am Montag die Nachfolge für die gestürzte Partei- und Regierungschefin Liz Truss regeln. Für die Wettbüros ist der Ex-Schatzkanzler Rishi Sunak der Favorit.

Kommt Boris Johnson zurück? Am Montag wollen sich Großbritanniens konservative Abgeordnete um die Nachfolge der gestürzten Partei- und Regierungschefin Liz Truss kümmern. Und die Latte für potenzielle Nachfolger liegt hoch. Für die Wettbüros ist Rishi Sunak der Favorit. Penny Mordaunt werden ebenfalls Chancen eingeräumt. Der Ex-Schatzkanzler und die gegenwärtige Ministerin für parlamentarische Angelegenheiten mühten sich am Freitag in Westminster eifrig um Stimmen bei ihren Fraktionskolleginnen und -kollegen im Unterhaus, um den Erwartungen zu entsprechen, die man in sie setzt. 100 Unterschriften braucht man, um antreten zu dürfen. Das heißt bei 357 Abgeordneten, dass höchstens drei Bewerber ins Rennen gehen können. Und wer als Dritter im Bunde zu erwarten wäre, wenn es Sunak und Mordaunt am Montag an den Start schaffen würden: Darüber scheint sich mittlerweile die ganze Nation einig zu sein. Schon spricht alles vom „blonden Elefant im Raum“ bei der Auswahlprozedur.

„Daily Mail“ und „Sun“ jubeln

„Raten Sie mal, wer seinen Job zurück will!“, frotzelte am Freitagmorgen der „Daily Mirror“. „Boris Johnson plant ein sensationelles Comeback“, tönte die „Sun“. „Ich kann die Partei bei den nächsten Wahlen vorm Untergang bewahren“, zitierte der „Telegraph“ seinen früheren Helden. Die „Daily Mail“ jubelte: „Es wird Boris vs Rishi – ein Kampf um die Seele der Tory-Partei.“ Ein britischer Fernsehsender meldete, Johnson habe an seinem Urlaubsort in der Karibik „die Sandalen in die Ecke gekickt“ und sich auf den Heimweg gemacht. Schockiert wurde diese Nachricht von all den Torys aufgenommen, die Johnson um keinen Preis zurückhaben wollen in Downing Street. Er solle um Himmels willen „wieder an den Strand gehen“, riet der frühere Brexit-Minister David Davis dem Ex-Premier.

Auch andere Abgeordnete hielten die Idee eines Comeback des Politikers, der erst vor sechs Wochen in Schimpf und Schande aus der Regierungszentrale hatte ausziehen müssen, für „reinen Wahnsinn“. Außenamtsstaatssekretär Jesse Norman sagte „eine absolute Katastrophe“ voraus. Nach all den Skandalen der Johnson-Ära könne man nicht einfach vergessen, was gewesen sei, wandte eine ganze Reihe von Torys ein.

Tatsächlich ist Umfragen zufolge der Respekt für Johnson in der Bevölkerung bisher gering. Nur die Tory-Mitglieder haben ihren Glauben an ihn offenbar nicht verloren. An der Parteibasis sollen 32 Prozent für eine Rückkehr Johnsons eintreten und nur 23 Prozent die Wahl Sunaks unterstützen. Auf Mordaunt entfallen 9 Prozent. Aus den Ortsvereinen kamen die lautstärksten Rufe mit der Botschaft „Bring Back Boris“. Viele Tory-Abgeordnete gaben an, dass sie diesen Wunsch in ihren Wahlkreisen immer wieder zu hören bekämen. Die Johnson-Verbündete und Ex-Ministerin Nadine Dorries begründete das damit, dass „Boris“ eben „der bewährteste Wahlkämpfer im Lande“ sei.

Tory-Partei bei Umfragen abgeschlagen

Die Frage ist, ob ihm die Abgeordneten ausreichenden Rückhalt geben würden. Die 100 erforderlichen Stimmen für Montag könne Johnson bekommen, meint Partei-Insider Tim Montgomery. Er könne es sogar auf 140 Stimmen bringen, sind Johnson-Anhänger überzeugt. „Richtig aufgeregt“ sei er, ließ der Abgeordnete Sir Christopher Chope vernehmen: „Boris Johnson reitet zur Rettung des Landes herbei.“ Skeptische Zeitgenossen in Großbritannien haben freilich ihre Zweifel an einer Kandidatur Johnsons. Wenn Boris Johnson nicht völlig überzeugt sei, dass er gewinnen könne, werde er auch nicht antreten, meinen sie. Überhaupt, argumentieren Experten, hätten sich die Zeiten geändert und sei die Wählerkoalition von 2019 längst zerfallen, die Johnson damals seinen Wahlsieg eingetragen habe. Rentner, Facharbeiter und sogar viele Brexit-Wähler sind seither tatsächlich zur Labour-Party übergelaufen. Letzten Umfragen zufolge liegt die Tory-Partei jetzt bei 14 und Labour bei 53 Prozent.