Umweltministerin Tanja Gönner Foto: dpa

Gönner reagiert auf Druck der Tiefbahnhof-Gegner - Extra-Gleis am Flughafen notwendig.

Stuttgart - Beim Bahn-Projekt Stuttgart 21 mit dem neuen Haupt- und Flughafenbahnhof und der Strecke bis Wendlingen gibt es mehrere Engstellen. Das Land fordert von der Bahn AG Nachbesserungen. Stuttgart 21 sei "unumkehrbar in Fahrt", sagte Verkehrsministerin Tanja Gönner am Donnerstag im Landtag.

Die Gegner des 4,1 Milliarden Euro teuren Projekts hatten am Dienstag einen bisher unter Verschluss gehaltenen Bericht des Schweizer Büros SMA veröffentlicht ( www.kopfbahnhof-21.de ). Die Nahverkehrsgesellschaft des Landes hatte SMA 2008 beauftragt, die Leistungsfähigkeit der geplanten Infrastruktur zu untersuchen. Dabei sollte der vom Land bezahlte Nahverkehr in den Blick genommen werden.

SMA stellte Engpässe am geplanten Flughafen-Fernbahnhof, der Filder- und Gäubahn, der bestehenden S-Bahn-Station am Flughafen und der Wendlingen Kurve, mit der die von Tübingen kommenden Gleise an die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Ulm knüpfen, fest.

Gönner (CDU) kritisierte im Landtag die Veröffentlichung. Die Papiere stellen einen "veralteten Planungsstand und isolierte Einzelaspekte" dar. Die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems Stuttgart 21 sei "gewährleistet", Verbesserungen machbar. Eine will Gönner im von Bahn, Land, Bund und Stadt gebildeten Lenkungskreis für das Projekt fordern: Den zusätzlichen Bau einer Tunnelverbindung von der Schnellfahrstrecke an der A8 zum neuen Flughafen-Bahnhof. Bisher ist die Anbindung eingleisig vorgesehen. Ein zweites Gleis würde an die 35 Millionen Euro kosten. Außerdem solle mit zusätzlichen Signalen eine "kleinere Blockteilung" erreicht werden, heißt es im Ministerium. Ein Block ist der Abstand zwischen zwei Signalen. Mit der Aufrüstung solle erreicht werden, dass "mehr Züge und damit ein engerer Takt gefahren werden kann", so ein Mitarbeiter Gönners.

Die Gutachter von SMA nehmen im Auftrag der Landesregierung zu den Vorwürfen der Projektgegner, Stuttgart 21 sei untauglich für eine Verkehrsverbesserung, Stellung ( www.uvm.baden-wuerttemberg.de ). Die Daten von 2008 seien mit Blick auf den 2020 zu bewältigenden Schienenverkehr weiterentwickelt worden, schreiben sie.

SMA empfiehlt das zweite Gleis zum Flughafen-Bahnhof "dringend". Es würde "die Anforderungen an die Fahrplangestaltung entspannen". Auch eine Verbesserung des Anschlusses der Strecke von Tübingen an die Neubaustrecke bei Wendlingen sei möglich. Gönner wird ein zweites Gleis aber nicht vorschlagen, weil es im Verhältnis zum Nutzen zu teuer wäre, sagte sie vor dem Landtag.

Gutachter werfen neue Fragen auf

Mit den vom Land und der DB vorgegebenen Zugzahlen "entstehen an verschiedenen Stellen fahrplantechnisch anspruchsvolle Konstruktionen". Die "definitive Fahrbarkeit kann nur durch die Simulationen von DB Netz bestätigt werden", bilanzieren die Experten. Nach Auskunft des Ministeriums liegt diese Bestätigung noch nicht vor.

In ihrer Stellungnahme für die Landesregierung werfen die Gutachter neue Fragen auf. So heißt es, fahrplantechnisch gebe es "keine Nachteile für die S-Bahn und die Gäubahn". Eine Zeile weiter erfährt man, dass "das Fahrplankonzept der S-Bahn noch nicht definitiv" ist.

Stuttgart 21 und die in Wendlingen anschließende Neubaustrecke bis Ulm haben im Landtag am Donnerstag zu einem erneuten Schlagabtausch zwischen Befürwortern und den ablehnenden Grünen geführt. Die Öko-Partei fordert ein Moratorium, hat dies aber in der Debatte nicht zum Antrag erhoben. Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann warnte angesichts der Kostenexplosion bei Stuttgart 21 und den von Bahn-Chef Rüdiger Grube am Dienstag bekannt gegebenen höheren Kosten der Strecke (2,9 statt zwei Milliarden Euro) vor Risiken für den Landeshaushalt.

Kretschmann forderte von der Regierung, den für August geplanten Teilabriss des Hauptbahnhofs zu stoppen. Der Abriss werde "Stadt und Land weiter spalten".

Stuttgart 21 sei "unumkehrbar und alternativlos", sagte Winfried Scheuermann für die CDU. Der Verkehrsclub Deutschland hatte am Mittwoch behauptet, bei einem Projektende kämen auf die Vertragspartner keine Kosten zu. Scheuermann nannte dies "Unsinn". Die Bahn AG selbst wies die VCD-Rechnung als "falsch und unhaltbar" zurück. Der Verkehrsclub werfe "Zahlen willkürlich zusammen, die keinen inneren Zusammenhang haben".

"Bei einem Projekt dieser Größenordnung kann es Überraschungen geben", relativierte Hans-Martin Haller von der SPD die gestiegenen Kosten. Das Land habe bei Schienenwegen Nachholbedarf, Stuttgart21 sei durch mehrere Parlamente legitimiert. Die Mehrkosten bei der Neubaustrecke berührten das Land nicht, "die trägt der Bund", sagte der Stuttgarter FDP-Abgeordnete Dietmar Bachmann. Mit dem Abriss im August werde ein "sichtbares Zeichen" gesetzt.

Tanja Gönner warf den Grünen vor, die Spaltung der Bürgerschaft voranzutreiben. Die Partei wolle mit einem Baustopp nur "Zeit gewinnen" und das Thema bis zur Landtagswahl im März 2011 treiben.