Günther Mayer legt den Zollstock an: Mehr als zwei Meter misst die Mauer des Nachbarn an der höchsten Stelle. Das darf nicht sein, findet nicht nur der Senior. Foto: Georg Linsenmann

In Stuttgart-Wolfbusch entzweit die hohe Umfriedung eines Grundstückes mit Betonfertigteilen Nachbarn.

Wolfbusch - Die Häuser entlang der südlichen Seite des Dischinger Weges im Weilimdorfer Stadtteil sind eine typische Arbeiter-Kleinsiedlung aus den 1930er Jahren. Eingeschossige, aneinandergefügte Häuser mit einem steilen Dachgeschoss. Die Grundstücke sind schmal, dafür aber umso länger. Bis zu 40 Meter lang. So bot der rückwärtige Garten mit rund 20 Metern Tiefe auch Platz zur Haltung von Kleintieren. Ein Zuhause auf rund 500 Quadratmetern Gesamtfläche, mit teilweiser Selbstversorgung der hier neu angesiedelten Arbeiter und Handwerker.

Das Häuschen Nummer 38 hatte Günter Mayers Vater, ein Zimmermeister, 1937 gebaut. Mayer hat noch die originalen Pläne. Er lebt hier seit seiner Geburt, seit 81 Jahren: „Das war immer meine Heimat“, erklärt er. Hier hat er manches erlebt – und auch einen Bombenangriff überlebt: „Im Herbst 1944 wurde auch die Siedlung im Wolfbusch, über der sich die Einflugschneise der alliierten Bomber zur Innenstadt befand, getroffen. Ich war eine Nacht lang im Keller verschüttet“, erzählt er. Nach dem Wiederaufbau bildet die Zeile, in der Mayers Haus steht, bis heute den unveränderten historischen Kern der Siedlung aus. „Wir haben hier immer in guter Nachbarschaft mit allen gelebt“, sagt er.

Mit der Idylle ist es vorbei

Mit der Idylle aber ist es nun an dieser Stelle vorbei, denn Mayers neuer Nachbar auf der westlichen Seite, der das Anwesen vor gut einem Jahr erwarb, hat sein neues Eigentum in einer Weise umfriedet, die Mayer zornig macht: „Das kann doch nicht wahr sein!“ schimpft er vor Ort, „Wir hatten immer schön offen zur Nachbarin hin, mit einem einfachen, kniehohen Lattenzaun. Und jetzt haben wir eine Betonmauer, die so hoch ist, dass man nicht einmal mehr drüber schauen kann!“ Lückenlos geht die rund 20 Meter lange Mauer an der Grundstücksgrenze entlang, von der Gebäuderückwand bis zum anderen Ende des Grundstücks, umläuft zudem auch die anderen Ränder des Grundstücks. Am Haus misst Mayer 2,30 Meter, zum Ende hin zwei Meter. Die Mauer besteht aus zirka drei Zentimeter dicken Fertigbeton-Platten, die im Zwei-Meter-Abstand zwischen Betonpfosten gefügt sind. Nach innen haben die Platten eine Naturstein-Optik, auf Mayers Seite ist der blanke Abdruck der Betonschalung zu sehen. Und etwas niedriger, aber im selben Stil, ist das Grundstück nun auch auf der Vorderseite gefasst, mit einer Öffnung für den neuen Vorplatz, der als Parkplatz dient.

„Dauernd kommen Leute und fragen, warum wir uns das gefallen lassen. Das sei ja wie in Stammheim“, berichtet Mayer. Von Nachbarn angesprochen wurde auch die Stadträtin Gabriele Munk, die ebenfalls im Dischinger Weg wohnt: „Das fällt natürlich ins Auge, denn charakteristisch ist für den Wolfbusch eine gewisse Offenheit, auch bei den Vorgärten. Dass das städtebaulich nicht passt, dass die visuelle Durchlässigkeit hier nicht mehr gegeben ist, liegt auf der Hand“, erklärt Munk auf Nachfrage unserer Zeitung und ergänzt: „Der Wolfbusch ist ein Kleinod, ist anders als andere Wohngebiete. Dazu gehören diese typischen Vorbereiche. Deshalb gibt es ja auch die Einschränkung in der Höhe von Grundstücksmauern. Ich bin dafür, dass man diesen Charakter des Gebietes erhält. In diesem Fall hat sich der Eigentümer wohl nicht an die Maßstäblichkeit gehalten.“

Zulässige Höhe der Mauer überschritten

Die entscheidende Frage aber ist, was dem Eigentümer rechtlich erlaubt ist. Als Rechtsgrundlage dient hierfür der Bebauungsplan aus den 1930er Jahren sowie die Stuttgarter Ortsbausatzung von 1935, wie Kirsten Rickes, die Leiterin des Baurechtsamtes, bestätigt. Demnach ist „eine Einfriedung von maximal 1,35 Metern Höhe zulässig“, sagt Rickes. Ihr Amt habe „davon Kenntnis erhalten, dass in diesem Fall die zulässige Höhe überschritten wurde“. Grundsätzlich gelte, „dass wir für den Fall, dass die Vorschriften des Bebauungsplanes nicht eingehalten wurden, die Beseitigung verlangen“. Über den Stand in der Sache dürfe sie der Öffentlichkeit aber „aus Datenschutzgründen keine Einzelheiten mitteilen“. Rickes bestätigt aber: „Wir sind in Kontakt mit dem Eigentümer.“

Der Eigentümer selbst wollte sich zu der Sache nicht äußern.