Am Donnerstag musste auf dem Mercedesgelände in Sindelfingen erneut eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft werden. Schon am Vortag war eine Bombe auf der Werksbaustelle gefunden worden. Jetzt ist Daimler die Lust am Bauen erst einmal vergangen.
Sindelfingen - Wegen des neuerlichen Funds einer Weltkriegsbombe am Donnerstag auf dem Mercedes-Benz-Werksgelände in Sindelfingen hat das Unternehmen die dortigen Bauarbeiten vorerst eingestellt. Am Montag werde es einen Gesprächstermin zwischen dem Unternehmen und den Sachverständigen von der Kampfmittelbeseitigung (KMBD) geben, sagte ein Sprecher. „Im Vordergrund steht derzeit das weitere Vorgehen auf der Baustelle und der Schutz der Bevölkerung und unserer Beschäftigten.“
Auf dem Gelände des einstigen so genannten Krawattenbaus, eines Verwaltungsgebäudes, will Daimler eine Halle für den Karosseriebau erstellen. Bereits am Mittwoch war eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg auf der Baustelle gefunden und vom Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes entschärft worden. Nachdem die Bauarbeiter am Donnerstag gegen 16.30 Uhr erneut auf eine Bombe stießen, wiederholte sich das Szenario. Mehrere Straßen und der Sindelfinger Bahnhof wurden gesperrt, ein Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet. Insgesamt hätten 1600 Menschen und damit doppelt so viele wie am Vorabend aus dem Gefahrenbereich gebracht werden müssen, sagte die Sprecherin der Stadt, Nadine Izquierdo.
Helfer gingen von Tür zu Tür, um die Anwohner zu warnen. 900 Mesnchen mussten ihre Wohnungen verlassen. Die meisten hatten schon den Vorabend nicht zu Hause verbringen können. Als Notunterkunft diente abermals die Sporthalle des Stiftsgymnasiums, in der sich zeitweise 350 Menschen aufhielten. 80 Polizeibeamte, 35 Feuerwehrleute und 110 Helfer des Rettungsdienstes waren im Einsatz.
Déjà-vu für Anwohner und Helfer
Der zweite Fundort lag 150 Meter vom ersten entfernt. Der Evakuierungsradius von 300 Metern war dadurch leicht versetzt und erfasste diesmal auch das Stern-Center, ein Einkaufszentrum mit Kinos und Gastronomie. Die Kinobesucher erhielten ihr Geld zurück und wurden nach Hause geschickt. Die eigentliche Entschärfung durch die Spezialisten des KMBD dauerte dann nicht einmal eine Stunde. Um 23.15 Uhr ging es los, exakt um 0.07 Uhr war der Spuk vorbei, die Menschen konnten in ihre Häuser zurück. Der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer (CDU) zeigte sich erleichtert. Dank der professionellen Zusammenarbeit der Einsatzkräfte und dem Verständnis der Betroffenen sei es gelungen, die Situation rasch zu entschärfen, sagte er in einer ersten Stellungnahme am Abend.
Entsorgung ganz in der Nähe
Bei beiden Bomben handle es sich um 250 Kilogramm schwere Fliegerbomben aus US-Beständen, sagte Michael Hagmann, der Leiter des Referats für Polizeirecht, Feuerwehr und Katastrophenschutz beim Stuttgarter Regierungspräsidium. Dies habe zu damaliger Zeit einer mittleren Größe entsprochen. „Es gab Sprengbomben mit 25 Kilogramm, andere erreichten ein Gewicht von zwei bis drei Tonnen.“
Die mögliche Sprengwirkung hänge aber auch davon ab, in welcher Lage sich eine Bombe befinde. Dementsprechend werde für die Entschärfung der Evakuierungsradius gewählt. Im vorliegenden Fall lagen die Bomben in sechs Metern Tiefe. „Die Splitterwirkung ist stärker, wenn der Fundort dichter an der Erdoberfläche ist“, sagte Hagmann.
Die beiden Sprengkörper waren mit Langzeitzündern ausgestattet. Beim Aufprall platzt eine Ampulle. Die Flüssigkeit frisst sich langsam durch ein Zelluloidplättchen. Die Zündung soll sich dadurch je nach Bauweise um einige Stunden oder gar um einen Monat verzögern. Eine Entschärfung solcher Bomben ist heikel. Dennoch liegt der letzte Unfall damit in Baden-Württemberg bereits 30 Jahre zurück.
Die Sprengkörper würden nun auf dem Gelände des KMBD zersägt, der Sprengstoff werde thermisch beseitigt, wie die Spezialisten sagen, also abgebrannt. Weit muss die gefährliche Fracht nicht gefahren werden. Das zentrale Entsorgungsgelände der baden-württembergischen Feuerwerker befindet sich in einem Waldstück zwischen Sindelfingen und Stuttgart.