Der Weg über das Mittelmeer ist für Flüchtlinge lebensgefährlich (Archivbild). Foto: AP

Als „tödlichste Grenze“ weltweit wird das Mittelmeer mittlerweile bezeichnet. Vor Libyen treiben wieder leblose Körper im Wasser. Die Migranten, die auf hoher See gerettet werden, sind gezeichnet von ihrer Gefangenschaft in dem Bürgerkriegsland.

Rom/Tripolis - Mehr als 50 Migranten könnten innerhalb weniger Tage im Mittelmeer ertrunken sein. 31 Leichen seien am Samstag vor der Küste Libyens geborgen worden, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die libysche Marine. Etwa 20 Migranten seien ertrunken, als sie in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag von einem überfüllten Schlauchboot ins Wasser gefallen seien, sagte ein Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR der Deutschen Presse-Agentur am Samstag in Rom. Dies hätten Gerettete berichtet, die mit den Vermissten an Bord gewesen und am Samstag in Augusta auf Sizilien an Land gegangen seien.

Am Samstag seien östlich der libyschen Hauptstadt Tripolis mehrere im Wasser treibende Leichen entdeckt worden, sagte ein Sprecher der libyschen Marine Ansa. 60 Menschen seien gerettet worden. Einen anderen Schiffbruch überlebten demnach 140 Migranten. Die Geretteten wurden nach Libyen zurückgebracht. Auch die Leichen wurden dorthin überführt. Von der libyschen Küstenwache selbst war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Spuren von Folter

Der UNHCR-Sprecher hatte am Samstag zunächst keine weiteren Informationen über die jüngsten Unglücke vor der libyschen Küste. Er berichtete aber von dem Fall in der vergangenen Woche: Etwa 20 Menschen seien von Bord eines Bootes ins Wasser gefallen. Die übrigen Insassen seien später gerettet und am Samstag in Sizilien an Land gegangen.

Seit Mittwoch waren der italienischen Küstenwache und Hilfsorganisationen zufolge mehr als 1100 Menschen gerettet worden. „Die Menschen, die mit der jüngsten Welle angekommen sind, befinden sich in einem sehr schlechtem Zustand“, sagte der UNHCR-Sprecher. Viele Migranten, die sich monatelang bis zu eineinhalb Jahre in libyschen Haftzentren befunden hätten, seien dehydriert und wiesen Spuren von Folter und Gewalt auf.

Die Vereinten Nationen hatten erst kürzlich ein dramatisches Bild von den Zuständen in den Haftzentren in dem Bürgerkriegsland gezeichnet. In der Folge hatten sie die EU-Hilfen für die libysche Küstenwache zum Abfangen von Flüchtlingen und Migranten im Mittelmeer scharf kritisiert. Nach libyschen Angaben befinden sich in den Lagern derzeit 19 900 Menschen. Im September waren es erst 7000.

Rund 3000 Tote

Hilfsorganisationen beklagen unterdessen eine zunehmende Behinderung bei der Suche nach schiffbrüchigen Flüchtlingen auf hoher See. Am Samstag wurde das Rettungsschiff „Aquarius“ aber zu einem Holzboot in Seenot geschickt und habe mehr als 400 Menschen gerettet, wie die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen mitteilte. Die NGO hatte vor einem „Herbst der Schiffbrüche“ gewarnt.

In einem neuen Bericht bezeichnete die Internationale Organisation für Migration das Mittelmeer als die „mit Abstand tödlichste Grenze“ weltweit: In diesem Jahr sind nach offiziellen Angaben annähernd 3 000 Migranten bei dem Versuch umgekommen, mit seeuntauglichen Booten Europa zu erreichen. Nach den neuesten Schiffbrüchen dürfte die Zahl noch höher liegen.

Die libysche Küstenwache hat sich nach „Spiegel“-Informationen für ein aggressives Vorgehen in der Nähe der deutschen Fregatte „Mecklenburg Vorpommern“ entschuldigt und Fehler eingeräumt. Der Vorfall ereignete sich demnach am 1. November bei der Mission der Fregatte zur Rettung von Flüchtlingen rund 50 Kilometer vor der libyschen Küste. Als ein Boarding-Team auf einem leeren Flüchtlingsboot Spuren sichern wollte, raste das libysche Patrouillenboot „Talil“ auf die Soldaten zu. Warnungen per Funk wurden ignoriert. Als die „Talil“ abdrehte, hörten die deutschen Soldaten Schüsse, die offensichtlich ins Wasser gefeuert wurden.