Aus der Leck geschlagenen Biogasanlage floss das Gärsubstrat in das Gewerbegebiet Engstingen-Haid samt der Hotelanlage. Foto: 7aktuell.de

Seit im Januar stinkendes Gärsubstrat aus einer Biogasanlage ihr Hotel in Engstingen überschwemmt hat, kämpft die Chefin Waltraud Stooß um eine Schadensbegleichung. Doch bis heute hat sie keinen Cent gesehen.

Engstingen - Der Geruch der Verwesung hält sich hartnäckig. „Riechen Sie es?“, fragt Waltraud Stooß und nimmt eine tiefe Nase Sommerluft. „Immer mal wieder steigt eine Schwade hoch, dabei haben wir alles geputzt.“ Die rüstige Seniorchefin des Hotels Hydepark steht im Außenbereich der Anlage und kommt ins Grübeln. „Uns hätte nichts Schlimmeres passieren können“, sagt sie und blickt auf einen Biergarten mit hohen Buchen, der schon seit Monaten keine Gäste mehr gesehen hat.

Seit im Januar 1,5 Millionen Liter stinkendes Gärsubstrat aus einer Leck geschlagenen Biogasanlage das Gewerbegebiet Engstingen-Haid samt der Hotelanlage überschwemmt haben, läuft das Leben von Waltraud Stooß in ziemlich kurvigen Bahnen. Es geht auf- und abwärts, es gibt die guten Tage und die schlechten.

Ein schlechter Tag war es, als sie im Mai erfahren hat, dass die Sparkassenversicherung für die Schäden nicht zahlt. Der Tank der Biogasanlage der Firma Biga Energie hätte nicht betrieben werden dürfen, argumentierte die Versicherung und hat zwar die Kosten der ersten Reinigungsarbeiten übernommen, aber dann die Zahlungen eingestellt. Auch der Reutlinger Landrat Thomas Reumann hatte kurz nach dem Unfall erklärt, dass der ausgelaufene Behälter wegen gravierender baulicher Mängel nicht hätte befüllt werden dürfen. Ein Vorwurf, der noch juristisch zu klären ist. Die Staatsanwaltschaft Tübingen hat ein Ermittlungsverfahren gegen die Betreiberfirma eingeleitet. „Wir warten auf das in Auftrag gegebene Gutachten“, sagt die Pressesprecherin, dann wisse man hoffentlich mehr über die Ursache der Havarie.

Aber es gibt auch die guten Tage. Waltraud Stooß, Perlenkette und Sandalen, liebt es, die Dinge anzupacken, sie hat gerne viele Menschen um sich. „Ich bin eine Schafferin“, sagt sie über sich selbst und begrüßt mit ihrem charmanten Lächeln eine Busladung voll Ausflügler, die zum Mittagessen im Restaurant vorbeikommen. Im Foyer des Hydeparks ist von der Katastrophe nichts mehr zu sehen und vor allem nichts mehr zu riechen.

„Der Betrieb läuft wieder, wir halten uns über Wasser“, sagt Waltraud Stooß. Sie hofft, dass es bald mit der Sanierung des Restaurants im Untergeschoss losgehen kann. Klaus Betz, der Geschäftsführer der Biga Energie habe versprochen, für die Kosten aufzukommen. Nicht auf einmal, sondern in Raten wolle er den Schaden begleichen. Doch bisher habe er noch keinen Cent bezahlt. Weder für den Einnahmenausfall – sie konnten drei Monate lang das Hotel nicht aufmachen und mussten weiterhin Löhne bezahlen – noch für die Instandsetzungsarbeiten. „Ich glaube, der überblickt nicht, was alles auf ihn zukommt“, sagt Waltraud Stooß mit einem Seufzer und erzählt von der einst aufwendigen Ausstattung des Kellerlokals. „Wir hatten Massivholzmöbel, gebürstete Türen mit speziellen Beschlägen aus Österreich und eine Instrumentensammlung als Dekoration.“ Ohne einen Kredit hätten sie nicht weitermachen können, sagt die Chefin. Sie schätzt den Gesamtschaden auf mehrere hunderttausend Euro.

Am schlimmsten hat es das Hotel Hydepark erwischt

So schlimm erwischt wie das Hotel hat es keinen anderen in dem Gewerbepark, der früher Kasernengelände war. Die braune Brühe schwappte aus der Biogasanlage quer über die Straße und direkt auf das Gelände des Hydeparks, im Kellerlokal stand die Garbrühe hoch bis zur Decke. Unter den rund zwei Dutzend Geschädigten ist auch die Firma Renosan, die Reinigungsmittel an Bäckereien verkauft und im Gewerbepark ein Lager gemietet hatte. „Wir mussten die gesamte Ware wegwerfen“, erzählt Verkaufsberater Ralf Stoll. Seine Firma habe eine Rechnung über 25 000 Euro an die Biga Energie geschickt und warte bis heute auf eine erste Zahlung. „Die spielen auf Zeit“, sagt Stoll und hat Sorge, dass womöglich ein Konkurs der Schadensbegleichung zuvor kommt. „Ich bin enttäuscht“, sagt der Teamleiter, „eine Kommunikation findet nicht wirklich statt.“ Seine Firma habe deshalb ein Mahnverfahren gegen die Biga Energie eingeleitet und werde demnächst ein Inkassobüro beauftragen.

Längst kurven wieder Lastwagen vor der Biogasanlage, in der aus Speiseresten Strom und Wärme gewonnen wird. Die Tore sind offen, die Anlagen laufen. Die Firma sei eines der großen Unternehmen auf dem Gelände, lobt Engstingens Bürgermeister Mario Storz, die Biga Energie liefere Wärme für den Gewerbepark. Die Rathaus-Diplomatie des CDU-Politikers hört allerdings dort auf, wo es um die Zahlungsmoral des Geschäftsführers geht. „Unsere Geduld ist nicht unbegrenzt strapazierfähig“, sagt Storz, allein der nächtliche Einsatz der Feuerwehr, die anrückte, um die braune Flut zu stoppen, habe 104 000 Euro gekostet. Noch nicht einmal erstellt sei das Sanierungsgutachten für ein überschwemmtes Gebäude des Zweckverbandes Gewerbepark Engstingen-Haid. „Wir warten noch die Sommerpause ab, dann werden wir anwaltlich vorgehen“, kündigt Storz an.

Bei der Biga Energie ist für Stellungnahmen gegenüber der Presse niemand zu erreichen. Man werde zurückrufen,tröstet die Dame am Empfang, aber tatsächlich erfolgt tagelang kein Anruf. Zuletzt im Mai hat sich die Firma öffentlich geäußert und ein Treffen mit den Nachbarn initiiert, um die Schäden aufzunehmen: „Unser Bestreben ist es, dass niemand, auf seine berechtigten Ansprüche verzichten muss“, hieß es. Und: „Wir möchten allen Geschädigten nochmals versichern, dass wir jederzeit gesprächsbereit sind.“