Die sogenannten Hexenkessel sind bei dem Eppinger Nachtumzug seit jeher erlaubt. Foto: SWR

Der Eppinger Faschingsumzug endete nach dem Unfall mit einem Hexenkessel für eine 18-Jährige mit schweren Verletzungen. Die Polizei wundert sich, dass sich noch keiner zu der Tat bekannt hat.

Eppingen - Ein Bottich mit heißem Wasser ist nichts, was wir in Zukunft haben wollen“, das steht für den Eppinger Oberbürgermeister Klaus Holaschke (parteilos) fest. Wie es um die Zukunft des Fastnachtsumzugs steht, ist noch offen. Nach dem Heißwasserunfall mit einem Hexenkessel beim nächtlichen Umzug in Eppingen (Kreis Heilbronn) hat die Stadt am Dienstagabend bei einer öffentlichen Sitzung den Gemeinderat und Bürger über den Sachstand informiert. Bei der Veranstaltung war eine 18-Jährige aus Rheinstetten bei Karlsruhe schwer an den Beinen verbrüht worden. „Die medizinische Versorgung der jungen Frau hat schnell gegriffen“, betont das Stadtoberhaupt. Die Veranstaltung sei mit elf Polizeibeamten, einem privaten Sicherheitsunternehmen, 45 Sanitätern und mehreren Notärzten ausreichend gesichert gewesen.

Polizei: Verkettung unglücklicher Umstände

Zum Stand der Ermittlungen gibt Jens Brockstedt Auskunft. Der Revierleiter von Eppingen war mit elf Beamten beim Umzug im Einsatz. „Wir stufen den Vorfall nach wie vor als Unglücksfall ein und als Verkettung unglücklicher Umstände“, sagt er. Er schildert den Vorgang: Kurz nach 21 Uhr am Samstag zogen die rund 20 Hexen mit dem Kessel an einer rund 20-köpfigen Zuschauergruppe – einer Karnevalsgruppe aus Rheinstetten – vorbei. „Es kam zu Scherzen zwischen beiden Gruppen“, sagt Brockstedt. Die junge Frau sei zur Hexengruppe geschoben und von zwei Maskierten in Empfang genommen worden, ein dritter habe den Deckel des Kessels angehoben. Was sich dann weiter genau zutrug, ist unklar: ob die Beine der Frau ins Wasser gerieten oder aufsteigender Dampf zu den Verbrennungen geführt hat. Als die Schwerverletzte zu schreien begann, wurde sie nach Angaben der Polizei am Straßenrand abgesetzt, die Hexen zogen weiter. Den Ermittler lägen bisher keine Videoaufnahmen vor, sondern nur Fotos. Die Personalien aller Beteiligten seien erfasst: „Wir wundern uns schon, dass sich noch keiner gemeldet und zu der Tat bekannt hat“, sagt Brockstedt.

Stadt: Hexenkessel Teil des Brauchtums

Von einem tragischen Unglücksfall spricht Sönke Brenner, Pressesprecher der Stadt Eppingen. „Es gibt klare Grenzen bei solchen Umzügen, für alle steht fest: Es darf niemand gefährdet werden.“ Deshalb würden auch im Vorfeld Hinweisblätter mit Vorgaben verteilt, verboten sei etwa das Mitbringen und Abschießen von Feuerwerkskörpern. Seit vielen Jahren erlaubt und ein zentraler Bestandteil der schwäbisch-allemannischen Fasnachtstradition seien dagegen die offenen Feuer und Hexenkessel auf den Wagen. „Das ist Brauchtum“, sagt Brenner, das habe zu den Umzügen immer dazu gehört. Auch die Nähe zum Publikum in den Gassen der Innenstadt mit ihren Fachwerkhäusern ist erwünscht. „Das Ganze lebt vom direkten Kontakt, es gibt keine Absperrungen.“

War Alkohol im Spiel?

In den Geschäften rund um den Marktplatz in dem hübschen Fachwerkstädtchen wird das Geschehen diskutiert. Die Bäckereiverkäuferin sagt, sie gehe schon seit Jahren nicht mehr zu den Umzügen: „Ich will selbst entscheiden, ob ich mitmache, und nicht einfach davongetragen werden.“ Sie kenne viele Erwachsene, die Angst hätten und fernblieben. Die Schneiderin, die Faschingskleidung verkauft, will kein Verbot des Umzugs, aber: „Ich würde Alkohol verbieten“, sagt sie, „vor meinem Laden war danach eine Riesensauerei, das war schlimmer denn je.“ Der Buchhändler hat das Treiben mit der achtjährigen Enkelin vom Geschäftsinnern aus verfolgt und ebenfalls beobachtet, dass viel Alkohol im Spiel war: „Die Leute hatten offenbar das Gefühl, hinter der Maske tun und lassen zu können, was sie wollen.“

Opfer wird in Klinik abgeschirmt

Die junge Frau aus zog sich Verbrühungen oder Verbrennungen zweiten Grades zu. Nach der Erstversorgung in einem Krankenhaus wurde sie in eine Hautklinik verlegt, dort wird sei ein bis zwei Wochen bleiben müssen. Das Opfer, von dessen Befragung man sich Aufklärung verspricht, wird dem OB zufolge von den Ärzten abgeschirmt. Revierleiter Brockstedt und die Staatsanwaltschaft gehen nach momentanem Ermittlungsstand von schwerer oder gefährlicher Körperverletzung und möglicher unterlassener Hilfeleistung aus. Für Eppingen ist die Traditionsveranstaltung mit ihren bis zu 15 000 Zuschauern und 2000 Hästrägern ein wichtiger Termin im alljährlicher Veranstaltungskalender. „Da kommen 80 Gruppen und Besucher aus dem ganzen Land“, sagt der Eppinger Pressesprecher Brenner, „das ist ein großes Ereignis mit einem positiven Image für die Stadt.“ Trotz des Unfalls werden in Eppingen in den nächsten Tagen weitere Faschingsveranstaltungen stattfinden. Absagen seien nicht geplant. Ob es für den Nachtumzug künftig schärfere Auflagen geben soll, werde zurzeit erwogen.

Vermutlich werde es einen Runden Tisch geben, bei dem die Veranstalter des Umzugs, die Hexenzunft Eppingen, die Kraichgau-Hexen und der Verkehrsverein, gemeinsam eine Vorlage erarbeiten. „Letztlich wird aber der Gemeinderat entscheiden“, sagt Stadtsprecher Sönke Brenner. Denkbar sei momentan alles: vom Verbot der Heißwasserkessel bis zum Aus für den ganzen Umzug.

Hass-Mails und Hass-Anrufe für Hexengruppe

Wie der Verein Hexenzunft Eppingen auf seiner Internetseite schreibt, findet der Nachtumzug seit 2003 am Samstag vor dem Fasnetswochenende statt. Dem Oberbürgermeister Holaschke zufolge lief die Veranstaltung in den Vorjahren stets ohne größere Probleme ab. Unterdessen hat die mutmaßlich verantwortliche Hexengruppe Hass-Mails und Hass-Anrufe erhalten. Ein Sprecher der Gruppe, die bei dem Umzug den Kessel mit sich führte, äußert sich zutiefst bestürzt über den Vorfall. „Wir alle sind von dem, was passiert ist, sehr, sehr betroffen“, sagte der Sprecher, der anonym bleiben möchte, der „Heilbronner Stimme“. Der psychische Druck sei enorm.