Politiker in Baden-Württemberg haben entsetzt auf den Ausgang des Referendums in der Türkei reagiert. Foto: dpa

In Deutschland hat Erdogans Präsidialsystem beim Referendum viel mehr Zustimmung erfahren als in der Türkei selber. SPD-Landesvorsitzende Breymaier versteht die Welt nicht mehr. Europaminister Wolf sieht die Türkei gespalten und nicht mehr als Partner für die EU.

Stuttgart - Politiker in Baden-Württemberg haben entsetzt auf den Ausgang des Referendums in der Türkei reagiert. Aus Sicht der SPD-Landesvorsitzenden Leni Breymaier ist das Ergebnis bitter, gerade weil es so knapp ist. „Angesichts der Nachrichten über mögliche Unregelmäßigkeiten fällt es mir schwer, es zu akzeptieren“, teilte Breymaier am späten Sonntagabend mit.

Erdogans furchtbare Ankündigung, die Todesstrafe wieder einzuführen zu wollen, werde die Gräben vertiefen. Dennoch sollte Europa die Tür für die Türkei nicht auf immer und ewig verschließen. „Immerhin haben sich die Hälfte der Türken - trotz massivster Propaganda - diesen Allmachtsfantasien entgegengestellt. Und die vielen gemeinsamen Interessen sind einfach zu wichtig“, betonte Breymaier. Jetzt komme es darauf an, einen Weg zu finden, der Brücken aufbaut anstatt sie abzureißen.

Nach Überzeugung von Europaminister Guido Wolf (CDU) bestätigt der knappe Ausgang des Referendums, dass Erdogan sein Land gespalten hat. „Er hat ein Referendum gewonnen, das er mit undemokratischen, ja diktatorischen Mitteln vorbereitet hat: Zehntausende seiner Kritiker oder die er dafür hält hat Erdogan inhaftiert, die Unabhängigkeit der Justiz beseitigt und die Pressefreiheit faktisch abgeschafft“, teilte Wolf am Montag mit. „Machen wir uns nichts vor: Die Türkei mit einem Präsidenten Erdogan und seiner Machtfülle wird keine Demokratie mehr sein. Sie wird als verlässlicher Partner für Europa ausfallen.“ Aus seiner Sicht wäre nur konsequent, wenn die EU den Beitrittsprozess beenden würde, teilte Wolf mit.

Fehler bei der Integration in Deutschland

Integrationsminister Manne Lucha (Grüne) hält mit Blick auf die vielen türkischstämmigen Menschen im Südwesten die Arbeit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt jetzt für besonders wichtig. „Weitere Polarisierungen und Ausgrenzungen dürfen wir nicht zulassen, Besonnenheit und Kommunikation sind das Gebot der Stunde“, teilte er mit. Der Runde Tisch der Religionen sei wichtiger denn je. Lucha betonte: „Wir pochen auf die Werte unserer Verfassung: Demokratie, Rechtsstaat, Gleichberechtigung, Gewaltenteilung, Pressefreiheit, Bürgerpartizipation, Minderheitenrechte und bürgerliche Freiheiten.“

Aus Sicht von CDU-Generalsekretär Manuel Hagel zeigt das Ergebnis des Referendums, wie viele Fehler bei der Integration in Deutschland gemacht wurden. „Wer seit Jahren in Deutschland lebt und trotzdem für ein autoritäres System stimmt, dessen Präsident für die Todesstrafe und die Inhaftierung von Journalisten und Oppositionellen steht und der die Europäer als Nazis beschimpft, teilt nicht unsere Werte und ist in unserer Gesellschaft nicht angekommen“, teilte er mit.

Anhänger des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hatten das Ergebnis des Verfassungsreferendums in mehreren baden-württembergischen Städten mit Autokorsos gefeiert. In Mannheim kamen mehr als 100 Teilnehmer mit Fahnen zusammen. Zu Fuß oder hinter dem Steuer zogen sie durch die Innenstadt, wie die Mannheimer Polizei am Ostermontag mitteilte. Auch in Ulm waren nach Angaben eines Sprechers ein paar Dutzend Feiernde in Autokorsos durch die Stadt gefahren. In Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg seien öffentliche Feiern am Sonntagabend oder in der Nacht ausgeblieben.

Die Türken hatten am Sonntag nach Angaben der Wahlkommission mit gut 51 Prozent für die Verfassungsreform gestimmt, die dem Präsidenten deutlich mehr Macht gibt. In Deutschland waren es zuvor rund 63 Prozent der Wahlberechtigten.