Ein weißes Fahrrad, an dem Autos mit Tempo 100 vorbeifahren: An der Landesstraße zwischen Esslingen und Baltmannsweiler ist kürzlich ein Radler tödlich verunglückt. Verbände kritisieren den Landkreis, er müsse die Radinfrastruktur schneller verbessern.
Man kennt sie vor allem aus Studentenstädten, in denen üblicherweise viel geradelt wird: weiße Fahrräder, die die Stelle eines tödlichen Unfalls markieren. Nun steht ein solches „Ghostbike“ auch auf dem Schurwald – an der Landstraße L 1150 zwischen Esslingen und Baltmannsweiler, bei der Haltstelle „Altbacher Weg“. Es sei das erste Mal, dass die Kreisverbände des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) und des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD) ein Geisterfahrrad im Rahmen eines „Silent Rides“, einer stillen Gedenkfahrt, aufgestellt haben. Am vergangenen Sonntag, bei Regen, haben Radlerinnen und Radler auf Einladung der Verbände den Weg aus Oberesslingen bergauf zur Unfallstelle auf sich genommen. Man kenne zwar nicht jede Gefahrenstelle im Landkreis, sagt Thomas Albrecht vom ADFC. „Aber diese Stelle kennen wir alle. Und wir wissen, dass sie schlecht zu queren ist.“
Tempo 100 ist erlaubt
Denn für Radler oder Fußgänger kann sie zu verkehrsreichen Zeiten eine Herausforderung sein. Tempo 100 ist erlaubt. Das wurde womöglich einem Rad- und einem Motorradfahrer zum Verhängnis. Am 31. Juli kollidierten der 19-jährige Biker und der 32-Jährige, der die Landesstraße mit seinem E-Bike queren wollte. Beide wurden schwer verletzt, der Radfahrer starb später im Krankenhaus. Laut Michael Schaal von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Reutlingen dauern die Unfallermittlungen noch an.
Für Thomas Albrecht vom ADFC ist schon jetzt klar: Es handele sich bei der Querung über die Landesstraße um eine Stelle, an der solch tragische Unfälle jederzeit wieder passieren könnten. ADFC und VDC fordern eine Temporeduzierung. Die Querung werde von Alltag- und Freizeitradlern sowie Wanderern stark genutzt. Die Strecke von Aichwald nach Altbach sei mit den grünen Radwegweisern des Landkreises ausgeschildert. Eine Ausschilderung sei gut, aber das reiche nicht. Es brauche Infrastruktur, die Sicherheit gewährleiste. Albrecht weist darauf hin, dass die L 1150 bereits im Radverkehrskonzept des Landkreises aufgeführt wird. Entlang der Fahrbahn gibt es keinen Geh- und Radweg, um direkt von Baltmannsweiler nach Esslingen zu kommen. Radler müssen auf die Straße. Im Konzept wird vorgeschlagen, einen Radweg zu bauen und kurzfristig zu prüfen, das Tempo zu reduzieren. Das Papier stammt von 2016, laut Fortschreibung 2023 waren ein Viertel der insgesamt 95 Projekte umgesetzt. „Insgesamt wünschen wir uns, dass der Landkreis mit dem Radverkehrskonzept wesentlich schneller in die Umsetzung kommt“, so Albrecht. Er möchte bei Landrat und Kreistagsfraktionen dafür werben.
Radwegebau nicht terminiert
Das Landratsamt teilt mit, ihm lägen keine genauen Informationen über den tragischen Unfall vor. „Nach Informationen aus unserem Straßenbauamt ist die angesprochene Straßenquerung in beiden Fahrtrichtungen mit einem Gefahrenhinweis von querenden Fußgängern (Wanderweg kreuzt) beschildert“, schreibt die Pressestelle. Sie verweist auf das Konzept samt Neubau eines Radweges. „Eine Terminierung der Maßnahme ist bisher noch nicht erfolgt.“ Für die Bewertung als Gefahrenstelle ist die Straßenverkehrsbehörde Esslingen zuständig. „Bei der Örtlichkeit handelt es sich um keinen Unfallschwerpunkt“, teilt die Stadt mit. „Zum Unfallereignis sind wir mit der Polizei im Austausch. Es ist geplant, den Unfall in der diesjährigen Unfallkommission im Herbst zu behandeln – vorausgesetzt, es liegen bis dahin alle notwendigen Informationen der Polizei vor.“ In der Kommission kämen Ordnungs- mit Tiefbauamt und Polizei zusammen.