Die Polizei bring stark betrunkene oder berauschte Personen in Ausnüchterungszellen unter. Foto: Mauritius

Nach dem Tod zweier Männer im Polizeigewahrsam denkt auch die Polizei darüber nach, ob das System sicher genug ist. Das Innenministerium überprüft turnusgemäß die Richtlinien. Welche Rolle spielen dabei die Stuttgarter Fälle?

Stuttgart - Nach dem Tod zweier Männer Ende Januar in der Zentralen Ausnüchterungseinheit (ZAE) denkt die Polizei darüber nach, ob das System weiterhin sicher genug ist. Auch an oberster Stelle werden die Ereignisse analysiert. Das Innenministerium überprüft aktuell seine Gewahrsamsordnung, also die Regeln für die vorübergehende Unterbringung in den von der Polizei betreuten Zellen. „Dabei werden auch die jüngsten Ereignisse in der Stuttgarter ZAE eine Rolle spielen“, sagt der Pressesprecher Renato Gigliotti vom Innenministerium. Diese Überarbeitung finde turnusgemäß statt, sie falle zufällig in die Zeit nach den Todesfällen, betont er. Umso wichtiger sei es, diese Fälle dabei zu berücksichtigen, fügt der Sprecher hinzu.

Die Polizei ist stark angegriffen worden, nachdem die beiden in der Zelle gestorben waren. Mangelnde Versorgung und Fürsorge, das waren die zentralen Vorwürfe etlicher Kommentare im Netz auf die Berichte gewesen. Der pauschale Vorwurf, die Polizei würde ihr Vorgehen nicht hinterfragen, stimmt dabei nicht. Die Polizei ist offen für eine Diskussion über die Zukunft der ZAE. „Sind Menschen, die so schwer krank sind, nicht eigentlich im Krankenhaus besser aufgehoben?“ So fasst der Polizeisprecher Stefan Keilbach zusammen, was der Kern der nun zu führenden Diskussion aus Sicht der Polizei ist. Im Krankenhaus könnten ein paar Zimmer für die Ausnüchterung bestimmt sein, die Polizei würde Bewachungspersonal stellen.

Rund 2100 Menschen werden pro Jahr bei der Polizei ausgenüchtert

Ende Januar waren im Abstand von wenigen Tagen zwei Männer gestorben, die alkoholisiert eingeliefert wurden. Sie waren davor von Ärzten untersucht und für haftfähig erklärt worden. Wenn es zu Problemen kommt, ist ein Arzt vor Ort, der einschreiten kann. Durchschnittlich 2100 Personen landen jährlich in der ZAE, die dem Polizeigewahrsam des Präsidiums am Pragsattel angegliedert ist.

„Es liegt in einem der zwei Fälle noch kein abschließendes Ergebnis vor. Das brauchen wir für die Bewertung“, sagt der Ministeriumssprecher. Auch wenn es laut der Staatsanwaltschaft noch ein oder zwei Monate bis zum Abschlussbericht dauern kann: das Ministerium werde die Ergebnisse abwarten und bei der Überarbeitung der Richtlinien berücksichtigen.

Wären die zwei im Januar bei der Polizei gestorbenen Männer im Krankenhaus besser aufgehoben gewesen? Diese Idee ist nicht neu. Sie war diskutiert worden, bevor man die ZAE im Polizeigewahrsam einrichtete. Wolfgang Kudlacek, einer der Ärzte, die dort Nachtschichten schieben, hält davon nichts. „Man hat sich damals dagegen entschieden, aus guten Gründen“, sagt er. Nicht nur gehe es schneller, die Blutprobe etwa bei stark alkoholisierten Autofahrern zu entnehmen. Zudem seien stark alkoholisierte Patienten „manchmal gefährlich für Patienten und das Personal“, auch deswegen sei die Unterbringung im Krankenhaus nicht gut.

Die Ärzte sind von 20 bis 6 Uhr da. Doch sie haben keinen kontinuierlichen Kontakt zu den Personen in Gewahrsam. „Es kann sein, dass ein Arzt, der Dienst hat, den Auszunüchternden gar nicht zu Gesicht bekommt“, erläutert Polizeisprecher Keilbach – wenn keine Notwendigkeit gesehen werde, die Personen noch mal einem Arzt vorzustellen. Sie sind schon davor untersucht worden; das war bei den nun ums Leben gekommenen Männern der Fall. Beide hatten Haftfähigkeitsbescheinigungen, die Ärzte außerhalb der ZAE ausgestellt hatten. Der Arzt wird gerufen, wenn ein Ausnüchterungsgast Probleme hat. Das stellen die Polizisten auf einem Rundgang oder beim Blick auf die Monitore fest. „Die Überwachung mit den Kameras ist laut dem Polizeigesetz nur ein Livebild, eine Aufzeichnung gibt es nicht“, so Keilbach. Also könne man keine Aufnahmen heranziehen, um die letzten Stunden der im Januar verstorbenen Insassen zu analysieren. Einer starb an einem Hämatom im Gehirn, der andere infolge von Krampfanfällen, einer Entzugserscheinung.

Einen festen Promillewert, ab wann ein alkoholisierter Mensch im Krankenhaus sein müsste, gibt es nicht, sagt Benedikt Bloching, Oberarzt der Klinik für Suchtmedizin am Klinikum Stuttgart. Wer starke Entzugserscheinungen zeige, werde ebenso in ein Krankenhaus gebracht wie auch jemand, der einen mit dem Alkomat nicht mehr messbaren Wert von vier bis sieben Promille Alkohol im Blut habe. Die Polizei prüfe vor einem Transport, ob eine Alkoholvergiftung vorliege. Die Vergiftung setze bei einem Suchtkranken bei höheren Werten ein als bei jemandem, der keinen Konsum gewohnt sei. „Nach unserer Erfahrung leistet die Polizei gute Arbeit“, attestiert Bloching den Beamten.