Hertha BSC hat für seinen gestorbenen Präsidenten Bernstein eine würdige Gedenkfeier abgehalten. Das schwierige Spiel gegen Düsseldorf endet remis, doch das erscheint zweitrangig.
Haris Tabakovic kannte nach seinem Tor nur einen Weg. Schnell zur Auswechselbank. Dort hielt der Stürmer das schwarze T-Shirt mit dem Aufdruck „Wir Herthaner in tiefer Trauer“ hoch und reckte dann einen Finger zum Himmel. Es war ein stiller Gruß des Torjägers. Der einzig mögliche Gruß und die einzig mögliche Geste nach einer bewegenden Trauerfeier des Berliner Fußball-Zweitligisten vor dem Rückrundenauftakt gegen Fortuna Düsseldorf für seinen unerwartet gestorbenen Präsidenten Kay Bernstein.
Nach Tabakovic (30. Minute) traf noch Derry Scherhant (45.+1) für die Hertha, aber eben auch Isak Bergmann Johannesson (44.) und Christos Tzolis (50./Foulelfmeter) für Düsseldorf. Tzolis (56.) setzte einen weiteren Strafstoß neben das Tor. Dass das Spiel also 2:2 (2:1) endete, das war in dem zum Ort des Gedenkens verwandelten Olympiastadion trotzdem nur die statistische Fortsetzung eines emotionalen, kalten Fußball-Sonntags.
Hertha-Trainer Pal Dardai hatte Tränen in den Augen
„Man geht in das Spiel rein und denkt, man ist auf alles vorbereitet. Und dann hört man den Stadionsprecher und kriegt einfach nur Gänsehaut“, sagte Hertha-Kapitän Toni Leistner nach dem Spiel bei Sky. „Aber ich glaube nichtsdestotrotz hat die Mannschaft das richtig gut angenommen.“
Die reinen Zahlen besagen, dass die Hertha nun zehn Spiele in Serie ungeschlagen ist, im Aufstiegsrennen um die direkte Rückkehr in die Bundesliga aber nicht nach oben rückt und auch auf Mitkonkurrent Düsseldorf unverändert fünf Punkte Rückstand hat. Fakt, ja. Aber nicht in erster Linie bedeutend. Die Trauer um den am Dienstag im Alter von 43 Jahren gestorbenen Bernstein überlagerte für die Berliner alles.
Hertha-Trainer Pal Dardai hatte Tränen in den Augen gehabt, als die Spieler am Mittelkreis standen und alle kurz vor dem Anpfiff im Stadion eine Schweigeminute abhielten. Im kollektiven Gedenken war die Bedeutung Bernsteins für die Hertha nochmals deutlich geworden. „Kay war ein Mensch, der uns berührt hat. Er war ein Mensch, der nie von oben herab geredet hat. Er hat nie gefragt, was ist gut für Kay. Er hat immer gefragt, was ist gut für Hertha BSC“, sagte Dardai bei Sky.
Tage der Trauer und der Emotionen
Doch wie würde die Mannschaft reagieren, nach Tagen der Trauer und der Emotionen und nach einem Spiel-Vorlauf, der mit einem Trauermarsch von 7000 Fans, christlicher Andachtsfeier und besinnlicher Musik so gar nicht zu den eigentlichen Fußball-Ritualen passte. Trauer kann lähmen, das war auch Dardai klar. „Das kann man nicht in Worte fassen, wie schwer das war. Jeder hat seine eigene Familie, sein eigenes Schicksal. Trauer ist etwas Persönliches“, sagte der Ungar.
Seine Mannschaft reagierte vor 42 209 Zuschauern stabil, kontrollierte das Spiel. Scherhant bot sich eine frühe Schusschance (8.). Ins Risiko ging aber keines der Teams. Die Fortuna hielt sich so anständig zurück, wie auch die eigenen Fans zumindest im Vorlauf des Spiels den würdigen Rahmen des Bernstein-Gedenkens schweigend mitgetragen hatten. Dieses Spiel sah lange Zeit überhaupt nicht nach Kampf um einen Aufstiegsplatz aus.
So lief das Spiel
Scherhant, der gebürtige Berliner war es, der am meisten rannte. Als ein Konter von ihm schon zu verpuffen drohte, kam der Ball zu Tabakovic, der selbigen mit Tempo 105 Kilometer pro Stunde ins Tor drosch. Der Jubel war eine Befreiung. Kurz nachdem der Mittelstürmer den Pfosten getroffen hatte (42.), kam die Fortuna mit ihrer ersten Chance zum Ausgleich durch den Fernschuss von Bergmann Johannesson. Doch Scherhant wollte das nicht so stehen lassen. Sein wuchtiger Schuss zur erneuten Führung aus ähnlicher Position wie Tabakovic war noch einen Kilometer pro Stunde schneller.
Düsseldorf legte seine vornehme Zurückhaltung ab. Kam durch Tzolis Strafstoß-Tor zum Ausgleich. Und hätte nach dem zweiten Elfmeter-Foul von Marc Oliver Kempf fast mit kurioser Dublette in Führung gehen können. Jetzt waren die Gäste das klar bessere Team. Die Hertha-Ultras, denen Bernstein in seinem bewegten Fußball-Leben als Vorsänger einst Takt und Stimme gab, schwiegen das ganze Spiel. Auf Bernsteins Präsidenten-Platz auf der Haupttribüne waren seine typische blau-weiße Club-Jacke, sein Megafon und weiße Rosen gelegt.