Die Drogeriemarktkette Schlecker hat 2012 Insolvenz angemeldet Foto: dpa

Der Insolvenzverwalter der Drogeriemarktkette Schlecker, Arndt Geiwitz, hat 2013 bereits einen Vergleich mit der Familie Schlecker abgeschlossen. Auch damals ging es um übertragene Vermögenswerte. Nun kann er womöglich weitere zivilrechtliche Ansprüche erheben.

Stuttgart - Nach der Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den ehemaligen Alleininhaber der Drogeriemarktkette Schlecker könnten der Insolvenzmasse noch weitere Mittel zufließen. „Wir prüfen, ob sich auf der Grundlage der Sachverhalte, die Gegenstand der Anklage sind, noch zivilrechtliche Ansprüche ergeben“, sagte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz unserer Zeitung. Dabei gehe es vor allem um Punkte, die nicht Teil des Vergleiches waren, den der Insolvenzverwalter 2013 mit der Familie Schlecker abgeschlossen hat.

Nach Informationen unserer Zeitung waren nicht Teil des Vergleiches etwa die nach Ansicht der Ankläger überhöhten Verrechnungspreise für Dienstleistungen, die durch die Firmen von Lars und Meike Schlecker erbracht worden sind, und deren Reise auf die Insel Antigua im Wert von rund 60 000 Euro, die Anton Schlecker für seine Kinder bezahlt hat.

Nach einem Streit um übertragenes Vermögen zahlte die Familie dem Insolvenzverwalter bereits 2013 rund zehn Millionen Euro. Damit seine Ansprüche bestehen bleiben, hat der Insolvenzverwalter Ende 2015 eine Verjährungsverzichterklärung bei der Familie Schlecker eingeholt. Andernfalls wären die meisten Anfechtungsansprüche mit Ablauf des Jahres 2015 verjährt gewesen. Die Familie Schlecker sei dabei kooperativ gewesen, sagt Geiwitz. Sollten sich aus den angeklagten Sachverhalten noch zivilrechtliche Ansprüche ergeben, könnten der Insolvenzmasse noch weitere Mittel zufließen. Durch den nach Ansicht der Staatsanwaltschaft überteuerten Vertrag zwischen Schlecker und der Firma seiner Kinder namens LDG sind nach Informationen unserer Zeitung allein zehn Millionen Euro übertragen worden.

Schlecker soll 36 Mal Geld beiseite geschafft haben

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat am Donnerstag Berichte unserer Zeitung bestätigt, wonach die Behörde Anklage gegen Anton Schlecker und seine Familie vorm Stuttgarter Landgericht erhoben hat. Die Ankläger werfen Schlecker vor, kurz vor der Pleite Geld vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt zu haben. Demnach soll er in 36 Fällen Geld beiseitegeschafft haben. Nach Informationen unserer Zeitung soll er so laut Anklage insgesamt rund 20 Millionen Euro beiseitegeschafft haben. Darüber hinaus soll Schlecker 2009 und 2010 den Zustand des Konzerns im Konzernabschluss falsch dargestellt und vor dem Insolvenzgericht unrichtige Angaben gemacht haben.

Norbert Scharf, Verteidiger von Anton Schlecker, warnte in einer Mitteilung davor, voreilige Schlüsse zu ziehen: „Voreilige Festlegungen verbieten sich angesichts des Stands und des Inhalts des Verfahrens“, teilte der Anwalt mit. „Denn die mit der Anklage aufgeworfenen Fragen betreffen einen umfangreichen, komplexen und rechtlich schwer einzuordnenden Sachverhalt aus der Historie der Firma Schlecker.“

Die Staatsanwälte der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Stuttgart ermittelten jahrelang gegen Schlecker. Neben dem 71 Jahre alten Firmenpatriarchen sind auch seine Ehefrau Christa, seine zwei Kinder sowie zwei Wirtschaftsprüfer angeklagt. Sie sollen Anton Schlecker geholfen haben beim vorsätzlichen Bankrott. Auf Bankrott steht eine Strafe von bis zu fünf Jahren, bei besonderes schweren Fällen bis zu zehn Jahren Haft. Über die Zulassung der Anklage entscheidet nun das Landgericht Stuttgart. Ob das noch 2016 passieren wird, ist offen.

Durch die Insolvenz verloren 25 000 Beschäftigte ihren Job

„Es ist sehr begrüßenswert, dass eine juristische Aufarbeitung erfolgt, weil der Schaden, den Schlecker mit der Pleite angerichtet hat, sehr groß ist“, sagte Bernhard Franke, Leiter des Landesfachbereichs Handel der Gewerkschaft Verdi Baden-Württemberg. „Dass Dinge schief und krumm gelaufen sind, haben wir schon vermutet.“ Franke führte für die Gewerkschaft bei der Pleite die Verhandlungen mit der Insolvenzverwaltung.

Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD), der nach der Insolvenz vergeblich für eine Transfergesellschaft für die Schleckerfrauen gekämpft hat, sagte unserer Zeitung: „Die Schlecker-Pleite war ein tiefer Einschnitt für viele, die dort über viele Jahre gearbeitet haben und dann auf der Straße standen.“ Deshalb hätten die ehemaligen Schlecker-Beschäftigten ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren. „Jetzt ist die Justiz am Zug, aber unabhängig vom juristischen Ausgang empört es mich nach wie vor, dass das Schicksal von Tausenden Beschäftigten vom unkontrollierten Gebaren eines einzelnen abhängig ist.“

Europas ehemals größte Drogeriekette Schlecker hatte im Januar 2012 Insolvenz angemeldet. Etwa 25 000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz.