Das beschädigte Passagierschiff Swiss Crystal liegt am späten Abend des 26. Dezember in Duisburg an der A42 Rheinbrücke. Foto: dpa

Nach einem Schiffsunfall wie jetzt bei Duisburg auf dem Rhein muss ein Sachverständiger klären, wie schwer die Schäden an einer Brücke sind. Wir sprachen mit einem Experten, wie solche Prüfungen ablaufen .

Stuttgart/Leipzig/Duisburg - Glück im Unglück. Nach dem Schiffsunglück auf dem Rhein bei Duisburg in Nordrhein-Westfalen ist die gesperrte Autobahnbrücke wieder für den Verkehr freigegeben worden. „Die Überprüfung der Statiker hat ergeben, dass die Brücke nicht länger gesperrt werden muss“, sagte eine Sprecherin des Landesbaubetriebes Straßen in Nordrhein-Westfalen. Der zuständige Gutachter hatte nach Überprüfung der Statik der Brücke erklärt, dass der Verkehr auf der A42 wieder frei fließen könne.

Schiffskollision mit einem Brückenpfeiler

Ein Flusskreuzfahrtschiff mit 129 Menschen an Bord hatte am späten Dienstagabend den linksrheinischen Pfeiler der Autobahnbrücke Baerl gerammt. 27 Personen wurden laut Polizei verletzt, vier von ihnen schwerer. Die Autobahn 42, einer der Hauptverkehrswege in und aus Richtung der Beneluxstaaten, wurde nach dem Unfall zwischen den Anschlussstellen Duisburg-Baerl und Duisburg-Beeck gesperrt.

Wir sprachen mit dem Prüfingenieur Mohsen Rahal aus Leipzig über das Prozedere, das bei solchen Vorfällen angewandt wird.

„Der Sachverständige muss klären, ob eine Gefahrensituation vorliegt“

Herr Rahal, wie können Ingenieurs-Experten die Stabilität einer Brücke nach einem Schiffsunfall wie jetzt auf dem Rhein bei Duisburg feststellen?
Zuerst müssen sie klären, welche Schäden die Brücke erlitten hat. Dafür schaut sich der Sachverständige die Brücke genau an und stellt fest, ob die Lager beschädigt sind oder die Konstruktion, sofern sie aus Stahl besteht, verbogen wurde. Nach dieser ersten optischen Prüfung kann man recht gut beurteilen, ob die Standsicherheit eines Bauwerks gefährdet ist.
Gibt es Unterschiede bei den Materialien Stahl und Beton?
Bei Stahlbrücken sieht man die Schäden schon von außen. Bei Stahlbeton können die Schäden auch im Kern der Brücke liegen, beispielsweise wenn es zu Verformungen im Innern des Materials gekommen ist. Die Risse würden sich auch außen zeigen. Wie weit sie nach innen gehen, müsste man genauer überprüfen.
Wie geht der Sachverständige in solchen Fällen konkret vor?
Er kann zum Beispiel Kernbohrungen durchführen, um festzustellen, wie tief die Risse sind. Es gibt auch ein Monitoring, um Schäden festzustellen. Dabei misst man Deformationen, Veränderungen der Form oder der Dimension eines Bauobjekts. Mit Hilfe spezieller Instrumente werden Verschiebungen oder Bewegungen des Bauwerks in Lage und Höhe untersucht.
Wie lange kann die Überprüfung an einer so viel befahrenen Brücke wie auf der A42 bei Duisburg über den Rhein dauern?
Das kann länger dauern – je nachdem, wie schwer die Schäden an der Konstruktion sind. Wenn gravierende Schäden vorhanden sind, muss geklärt werden, inwieweit die Standsicherheit der Brücke beeinträchtigt ist.
Wer übernimmt solche Aufgaben?
Es gibt keine speziellen Ingenieure, die nur darauf warten, dass ein Schiff einen Pfeiler rammt. Solche Prüfungen gehören zu den normalen Aufgaben von Ingenieurbüros, die sich mit Stahl und anderen Materialien befassen. Der Sachverständige muss klären, ob eine Gefahrensituation vorliegt und wie gravierend sie ist. Dafür muss klar sein, wie stark die Wucht des Aufpralls war. Das kann man auch anhand der Schäden am Schiff feststellen.
Was sind mögliche Optionen?
Möglicherweise wird die Brücke für den Autoverkehr gesperrt, aber die Schiffe dürfen weiterhin durchfahren. Diese Entscheidung kann nur der Gutachter vor Ort treffen. Im aktuellen Fall hat der Sachverständige erklärt, dass keine Schäden entstanden sind, die den Schiffs- und Autoverkehr gefährden.

Zur Person

Professor Dr. Mohsen Rahal ist Prüfingenieur und Spezialist für Baustatik, Tragwerksplanung und bautechnische Prüfung.

Er betreibt ein Ingenieurbüro für Baustatik in Leipzig und ist Dozent an der Hochschule Mittweida im Bereich Stahl- und Brückenbau.