Rose von Stein, früher FDP und heute Freie Wähler, haben die Wähler ihren Wechsel nicht übel genommen. Sie amtiert auch heute noch als Stadträtin. Foto:  

Der Wechsel des Spitzenkandidaten der Liste Kein Fahrverbot in Stuttgart, Ioannis Sakkaros, zur CDU sorgt für erheblichen Wirbel im Rathaus. Schon früher haben Stadträte den Wählerwillen missachtet und ihr Mandat einfach zur Konkurrenz mitgenommen oder einfach eine eigene Gruppe gegründet. Einige Beispiele.

Stuttgart - Der Übertritt des bis dato bekennenden Nichtwählers und Spitzenkandidaten der Liste Kein Fahrverbot für Stuttgart, Ioannis Sakkaros, zur CDU nach seinem Einzug in den Gemeinderat ist zwar in dieser Form ein singulärer Vorgang. Doch im Stuttgarter Kommunalparlament ist es durchaus nicht unüblich, dass Stadträte, die für eine bestimmte Partei oder Wählervereinigung kandidiert und ein Mandat geholt haben, anschließend zur Konkurrenz überlaufen oder ihr Mandat behalten und flugs eine eigene Gruppierung gründen. Jüngstes Beispiel: die beiden Ex-AfD-Stadträte Bernd Klingler und Heinrich Fiechtner.

Klingler, lange Jahre Chef der FDP-Fraktion und durchaus angesehen im Kollegenkreis, war 2015 im Gefolge einer Affäre um die unrechtmäßige Verwendung von Fraktionsfinanzen zur AfD übergetreten und dort mit offenen Armen empfangen worden. Er avancierte umgehend zum Fraktionssprecher, später auch zum Kreisvorsitzenden. Als er wegen Untreue vom Cannstatter Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde und nach langem Zögern das Urteil akzeptierte, bröckelte auch bei den Rechtspopulisten die Unterstützung für ihr Aushängeschild. Klingler, der seine Strafe mittlerweile längst verbüßt hat, verließ nach drei Jahren auch die AfD wieder und bildete fortan mit einem anderen AfD-Abtrünnigen, dem Mediziner Heinrich Fiechtner, das Bündnis Zukunft Stuttgart 23 (BZS 23).

Nicht für alle, die das Pferd gewechselt haben, hat sich das ausgezahlt

Fiechtner wiederum saß zunächst für die AfD im Gemeinderat, später auch im Landtag. Der als ausgesprochen schwierig geltende Mediziner trat 2017 aus der Landtagsfraktion und später auch aus der Partei aus, weil ihm antisemitische Tendenzen in der AfD aufgefallen waren. 2018 kehrte er dann auch der AfD-Ratsfraktion den Rücken und kündigte zunächst an, sich nun ganz auf seine Tätigkeit als fraktionsloser Landtagsabgeordneter konzentrieren zu wollen. Ein paar Wochen später dann der Rücktritt vom Rücktritt: Fiechtner, dessen gezielte Provokationen im Gemeinderat ihn bei den anderen Fraktionen ohnehin nicht sehr beliebt gemacht hatten, behielt sein Ratsmandat und formte gemeinsam mit Klingler das neue BZS-23-Duo. Dort machte er sich bis zu seiner Abwahl am 26. Mai mit AfD-nahen Thesen etwa in Sachen Klimaschutz von sich Reden und gerierte sich als selbst ernannter Chefaufklärer im Klinikum-Skandal.

Anderen Überläufern dagegen hat der Fahnenwechsel weniger geschadet. Rose von Steinetwa, mit der die FDP als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf 2009 gezogen war, führte die Liberalen zum Wahlerfolg: Die Anzahl ihrer Stadträte wuchs von vier auf sieben. Gedankt hat es ihr die Fraktion nicht: 2011 wurde sie zunächst als stellvertretende Kreisvorsitzende abserviert, wenig später putschte die Fraktion bei einer Klausursitzung und setzte von Stein als Fraktionschefin ab. Böse Zungen lästerten seinerzeit, sie könne kaum eine Haushaltsrede vom Blatt ablesen und sei farblos. Prompt zog von Stein die Konsequenzen und wanderte zu den Freien Wählern ab, wo sie bis heute und auch in den kommenden fünf Jahren als Stadträtin amtiert.

Die FDP-Spitze barmte daraufhin, es sei politisch unredlich, dass von Stein ihr Mandat zu den Freien Wählern mitnehme. Die Stadträtin konterte, im Fall von Reinhold Uhl habe dies die FDP auch nicht gestört.

Ex-Grünen-Fraktionschef Kübler hat es sogar auf drei Parteimitgliedschaften gebracht

Der einstige Fraktionschef der CDU im Rathaus (2005 bis 2008) wurde von Parteifreunden regelrecht gemobbt, weil er alte Vorstrafen aus seiner unternehmerischen Tätigkeit als Malermeister verschwiegen haben soll. Als Reinhold Uhl öffentlich machte, dass ihn die eigene Partei bespitzeln habe lassen und von Stasimethoden sprach, war das Tischtuch zwischen ihm und der CDU endgültig zerschnitten. Doch auch Uhl konnte zunächst nicht vom Mandat lassen und schloss sich der FDP-Fraktion an, wo der einst mächtigste Mann im Gemeinderat auf der Hinterbank Platz nehmen musste. Bei der Kommunalwahl 2009 wurde Uhl aber nicht wiedergewählt.

Noch länger zurück liegt der Fall Bernhard Kübler. Nach seiner Sturm-und Drang-Zeit bei den Jusos wechselte er 1984 zu den Grünen und wurde bald einer ihrer profiliertesten kommunalpolitischen Köpfe. 1989 und 1994 zog er zweimal für die Partei ins Rathaus ein und hielt die damals als „Chaostruppe“ apostrophierte Fraktion mit viel Geschick über Wasser. Immer wieder wurde Kübler als Bürgermeister gehandelt, doch Partei und Fraktion widerstrebte der Anspruch ihres Aushängeschilds. Als ihm 1996 der Nürnberger Grüne und Ex-Liberale Klaus-Peter Murawski als Verwaltungsbürgermeister vorgezogen wurde, verzichtete Kübler auf sein Ratsmandat und verkündete wenig später seinen Parteiaustritt, da er in wesentlichen politischen Fragen nicht mehr mit den Grünen übereinstimme. Später wechselte Kübler zur CDU und wurde später auf deren Ticket Bezirksvorsteher in Stuttgart-Ost.