Für den Automobilkonzern VW sind die Folgen des Abgas-Skandals noch nicht absehbar. Foto: dpa

Mit dem Rücktritt von von VW-Chef Martin Winterkorn fordert die Manipulation von Abgaswerten bei Dieselautos erste personelle Konsequenzen. Doch das könnte längst nicht alles gewesen sein.

Wolfsburg - VW ringt nach dem Abtritt von Konzernchef Martin Winterkorn um Orientierung – doch Sammelklagen in den USA und der Flurschaden der Abgas-Affäre dürften auch seinem Nachfolger das Leben schwer machen. Winterkorn hatte am Mittwoch angesichts des immer größeren Ausmaßes des Skandals um gefälschte Emissionswerte bei Dieselautos seinen Rücktritt bekanntgegeben. Am Freitag könnte der Aufsichtsrat in Wolfsburg bereits einen neuen Konzernlenker küren. Aber der Druck auf Europas größten Autobauer bleibt enorm.

Weltweit wurden nach VW-Angaben rund elf Millionen Motoren mit einer Software ausgestattet, die die Messung des Ausstoßes von Stickoxiden manipulierte. Er sei „fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen-Konzern möglich waren“, hieß es in der Rücktrittserklärung Winterkorns.

Der Volkswagen-Konzern bereitet unter Hochdruck eine Liste der von der Abgas-Affäre betroffenen Dieselwagen vor. „Wir arbeiten dran, können aber noch nicht sagen, wann sie veröffentlicht wird“, sagte ein VW-Sprecher der Deutschen-Presse-Agentur. Möglicherweise werde die Liste noch in dieser Woche vorliegen, erklärte der Unternehmenssprecher am Donnerstag. Erst danach kann über eine mögliche Rückrufaktion entschieden werden.

Die längerfristigen Folgen der Affäre bleiben weiter kaum absehbar. Medienberichten zufolge rollt auf VW in den USA und Kanada eine Flut von Sammelklagen zu. Rund 40 solcher Klagen sind dort nach Informationen des NDR und der „Süddeutschen Zeitung“ inzwischen bei Gerichten eingereicht worden. Kläger sind demnach vor allem private Autokäufer, in einem Fall auch ein Autohändler. VW würden Betrug, Vertragsbruch und weitere Gesetzesverstöße vorgeworfen, hieß es. Das Unternehmen habe bisher „keine Kenntnis, wann, wo, wie welche Klage anhängig ist“, sagte ein Unternehmenssprecher am Donnerstag.

Grüne fordern Überprüfung anderer Autohersteller

In den USA droht Volkswagen eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar durch die US-Umweltbehörde EPA. Das Justizministerium in Washington soll wegen möglicher strafrechtlicher Vergehen ermitteln.

Auch in Deutschland nimmt die Justiz Volkswagen mittlerweile ins Visier. Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig gingen Strafanzeigen ein, die Behörde startete Vorermittlungen. Auch Volkswagen selbst erstatte Anzeige. Wer von den Manipulationen wann im Konzern wusste, ist aber weiterhin unklar. Interne Untersuchungen laufen.

Über den Skandal ist die ganze Industrie ins Zwielicht geraten. In vielen Ländern beschäftigt das Thema die Politik, Sonderprüfungen werden verlangt. Zudem steht auch die Frage im Raum, ob andere Hersteller ebenfalls bei der Abgasmessung getrickst haben könnten.

Die Grünen im Bundestag fordern von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Überprüfung auch anderer Autobauer. „Im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung muss er auch Modelle von anderen Herstellern prüfen lassen“, sagte die Vorsitzende des Umweltausschusses, Bärbel Höhn, der „Saarbrücker Zeitung“.

Minister geht von weiteren personellen Konsequenzen aus

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) rechnet in der VW-Abgas-Affäre mit „weiteren personellen Konsequenzen“ in den nächsten Tagen. „Wir verlangen auch die Konsequenzen“, sagte Lies, der Mitglied im VW-Aufsichtsrat ist, am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. „Es geht um die gesamte Struktur bei Volkswagen.“ Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte im ARD-„Morgenmagazin“: „So etwas darf sich bei Volkswagen nicht wiederholen.“

Ökonomen fürchten bereits um den Ruf deutscher Exportprodukte. „Wir erleben, wie in der Finanzkrise, dass ein Vorfall systemische Krisenqualität erlangt hat“, sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, Michael Hüther, dem „Handelsblatt“ - und sprach von einer „Teilentwertung der Marke „Made in Germany““.