Die Polizei führt Bewohner der Unterkunft in Ellwangen ab. Foto: Getty Images Europe

Der gesuchte Asylbeweber aus Togo ist am Donnerstag in Abschiebehaft gekommen. Zuvor hatte die Polizei bei einer Großrazzia stundenlang die Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen durchsucht.

Ellwangen - Nach einer Razzia in einem Flüchtlingsheim in Ellwangen im zweiten Anlauf gefasst. Hunderte Beamte durchsuchten am Donnerstag in einem stundenlangen Einsatz die Unterkunft. Dort hatten Flüchtlinge in der Nacht zum Montag die Abschiebung eines gesuchten Bewohners gewaltsam verhindert, die Polizei brach den Einsatz ab. Der 23-Jährige wurde bei der Razzia am Donnerstag gefasst und soll nach Italien zurückgebracht werden. Er kam zunächst in Abschiebehaft.

Die Polizei erhielt für ihr Vorgehen breite Rückendeckung aus der Politik. Forderungen nach deutlichen Konsequenzen für Flüchtlinge, die Widerstand gegen Abschiebungen leisteten, wurden laut.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, für ihn sei klar, „dass das Gastrecht nicht mit Füßen getreten werden darf“. Er stehe hinter den Maßnahmen der baden-württembergischen Sicherheitsbehörden und der Polizei. Die empörenden Widerstandshandlungen müssten mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden. Der Rechtsstaat werde Recht und Gesetz durchsetzen, dies gelte auch für Menschen, die in Deutschland Schutz suchten, sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Widerstand, wie es noch nie vorgekommen sei

„Wir können nicht bei jeder Abschiebung - und wir machen sehr viele in Baden-Württemberg - eine Hundertschaft hinschicken“, sagte Strobl dem Sender ntv. Sonst wäre jedes Mal der Polizeibetrieb lahmgelegt. Je nach Lage und Situation vor Ort entschieden auch weiter die örtlichen Kräfte, wie viele Polizisten für derartige Einsätze nötig seien.

Eigentlich sollte der Mann aus dem westafrikanischen Staat Togo bereits in der Nacht zum Montag gefasst und abgeschoben werden. Etwa 150 bis 200 mutmaßliche Flüchtlinge der Landeserstaufnahmeeinrichtung (Lea) hatten dies aber teils mit Gewalt verhindert. Die Polizei zog sich zurück, der Asylbewerber konnte zunächst verschwinden.

Die Einsatzleitung sprach davon, eine Abschiebeaktion sei eigentlich Routine. Aber es habe am Montag Widerstand in einer Art und Weise gegeben, wie es noch nie vorgekommen sei. „Die Situation insgesamt war sehr angespannt, sehr aufgeheizt“, sagte Einsatzleiter Peter Hönle. Ein Geschehen wie am Montag dürfe nicht Schule machen. „Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass man die Polizei mit einer organisierten Übermacht in die Flucht schlagen kann, hätte das verheerende Folgen. Deswegen werden wir schauen, in welcher Stärke wir künftig Abschiebungen durchführen - ohne wenn und aber.“

Der Togoer soll nach Italien zurück

Nach der Eskalation am Montag hatte die Polizei am frühen Donnerstagmorgen ein Großaufgebot rund um das Flüchtlingsquartier - ein früheres Bundeswehrgelände - zusammengezogen. Die Beamten rückten mit mehreren Dutzend Mannschaftsbussen an. Die Straßen waren weiträumig abgesperrt. Außerdem hielt sich die Polizei mit weiteren Kräften in Bereitschaft. Zu sehen waren Beamte in Schutzkleidung. Sanitäter und Notärzte waren ebenfalls vor Ort.

Der 23-Jährige aus Togo soll nach Italien zurück, wo er erstmalig in die EU kam. 17 andere Bewohner, die wiederholt als Unruhestifter aufgefallen seien, sollten in andere Flüchtlingseinrichtungen verlegt werden.

Bei der Razzia wurden insgesamt 292 Menschen kontrolliert. 11 Flüchtlinge sprangen aus Fenstern der Flüchtlingsunterkunft. Insgesamt wurden 12 Menschen verletzt, darunter auch ein Polizist. In der „Bild“-Zeitung (Donnerstag) äußerte sich ein Mann, der sich als der 23-Jährige aus Togo ausgab. „Die Polizei hat schon im Februar versucht, mich abzuschieben. Deutschland sagt doch „Welcome“ zu uns Flüchtlingen. Die geben jeder Person eine Duldung“, sagte er. Seine „Brüder“ seien ihm nun zu Hilfe gekommen, sagte er mit Blick auf den Polizeieinsatz am Montag.

Polizeigewerkschaft fordert Abschiebung der Angreifer

Die Deutsche Polizeigewerkschaft verlangte die Abschiebung der Angreifer. „Die Flüchtlinge, die in Ellwangen Polizisten angegriffen haben, müssen unverzüglich abgeschoben werden“, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt den Zeitungen „Heilbronner Stimme“ und „Mannheimer Morgen“. FDP-Chef Christian Lindner sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Der Rechtsstaat darf sich nicht von einem Mob abschrecken lassen, der Abschiebungen verhindern will.“ Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte gleichfalls dem RND, wer gegen das Recht verstoße und sich der Polizei widersetze, müsse mit deutlichen Konsequenzen rechnen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter verteidigte das Vorgehen der Polizei. Sie habe die Aufgabe, Regeln und Gesetze durchzusetzen.

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer befürwortete die Razzia: Zwar könnten Menschen, die Schutz brauchen, diesen in Deutschland erhalten“, schrieb sie auf ihrer Facebook-Seite. „Wenn dieser Schutz aber missbraucht wird, etwa durch Angriffe auf Polizeibeamte, werden wir das nicht hinnehmen.“ Das harte Durchgreifen der Polizei in Ellwangen „ist deshalb notwendig, richtig und absolut zu unterstützen“.

Kritik an dem Polizeieinsatz äußerten dagegen Aktivisten der Flüchtlingshilfe. Pater Reinhold Baumann vom Freundeskreis Asyl erklärte, der Großeinsatz sei unverhältnismäßig gewesen. Der zur Abschiebung anstehende Mann aus Togo sei „kein Schwerverbrecher oder Untergetauchter“ gewesen. „Man hat ihn ja dort gefunden.“

Im vergangenen Jahr waren knapp 24 000 Ausländer aus Deutschland abgeschoben worden. 2017 waren bundesweit 525 Abschiebungen per Flugzeug abgebrochen worden, weil sich die Betroffenen kurz vor der geplanten Ausreise gewehrt hatten. Die meisten dieser Fälle ereigneten sich an den Flughäfen in Frankfurt am Main, München und Hamburg.