Die Verhaftungs- und Entlassungswelle in der Türkei betrifft nicht nur das Militär. Auch Akademiker, beamte und Journalisten sind betroffen. Foto: EPA

Wer ist Freund, wer Feind des Regimes Erdogan? Die türkische Regierung durchforstet den gesamten Staatsapparat nach vermuteten Gegnern. Der Verfolgungseifer macht auch vor Gebäuden nicht Halt.

Istanbul - Die türkische Regierung setzt ihre Kampagne gegen angebliche Unterstützer des gescheiterten Militärputschs fort. Am Mittwoch kündigte sie an, 21 000 Lehrern an Privatschulen die Genehmigung zu entziehen. Am Vortag hatte sie 15 200 Lehrer an staatlichen Schulen entlassen. Außerdem forcierte die Regierung ihre Bemühungen um eine Auslieferung des im US-Exil lebenden Predigers Fetullah Gülen, den sie für den Hintermann des gescheiterten Putschs hält. Zudem wurden wieder Kurdengebiete im Irak bombardiert.

Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, mindestens 262 Militärrichter und Militärstaatsanwälte seien entlassen worden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan leitete ein Treffen des nationalen Sicherheitsrates und kündigte eine „bedeutende Entscheidung“ an, die im Anschluss bekanntgegeben werde.

Akademiker entlassen

Die Regierung hat in den vergangenen Tagen bereits Zehntausende Beamte entlassen. Ankara forderte zudem den Rücktritt von 1577 Universitäts-Dekanen und stoppte alle Auslandseinsätze für staatliche Akademiker. Zusätzlich wurden Tausende weiterer staatlicher Angestellter in verschiedenen Ämtern gefeuert.

Außerdem wurden die Presseausweise von 34 Journalisten eingezogen, wie türkische Medien berichteten. Die Auslieferung des Satiremagazins „Leman“ wurde gestoppt. Auf dessen Titel ist eine Karikatur zweier Hände zu sehen, die ein Strategiespiel spielen. Eine Hand stellt Soldaten auf das Feld, die andere schickt Zivilisten.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verlangte von der Türkei, die Pressefreiheit zu wahren. Der Zugang zu mehr als 20 Nachrichten-Webseiten sei gesperrt. Ein Journalist sei wegen seiner Berichterstattung über den Putsch festgenommen worden. Es gebe Berichte, nach denen 25 Medienhäusern die Lizenz entzogen worden sei.

Fast 9000 Festnahmen

Von Entlassungen sind insgesamt sind 50 000 öffentlich Angestellte betroffen. Knapp 9000 Personen wurden festgenommen, darunter 115 Generäle. Sie alle sollen Gülen unterstützt haben.

Der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, sagte, eine „gülenistische Clique im Militär“ sei für den Putsch mit mindestens 264 Toten und rund 1500 Verwundeten verantwortlich. Ankara erwarte, dass Washington Gülen aufgrund des Verdachtes und der Beweise ausliefern werde. Die USA erklärten, sie prüften das von der Türkei übermittelte Material. Gülen selbst hat die Anschuldigungen Ankaras zurückgewiesen.

Laut Anadolu sagte Oberstleutnant Levent Turkkan bei der Vernehmung, die Putschisten hätten Militärchef Hulusi Akar angeboten, die Führung des Staatsstreich zu übernehmen. Dieser habe aber abgelehnt. Danach seien viele Befehlshaber nicht bereit gewesen, sich der Verschwörung anzuschließen.

Die Verwaltung des Istanbuler Stadtbezirks Eyüp ordnete den Abriss des Hotels an, in dem die Putschisten ihren Staatsstreich verabredet haben sollen. Als offiziellen Grund nannte Bezirksbürgermeister Remzi Aydin Verstöße gegen Planungsvorschriften, wie Anadolu berichtete.

Die türkische Luftwaffe griff erstmals seit dem Putsch vom Freitag wieder Kurden im Nordirak an. Dabei wurden laut Anadolu rund 20 mutmaßliche Rebellen der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK getötet. Ort des Angriffs sei die Region Hakurk gewesen, hieß es.

Seit vergangenem Jahr nehmen F-16-Jets der Armee regelmäßig Stellungen der Kurden im Irak unter Beschuss. In den gescheiterten Putsch waren sollen einige Piloten von F-16-Maschinen verwickelt gewesen sein.